Sicherheitskräfte gehen gegen Ultraorthodoxe, die eine Straße blockieren, vor
Ultraorthodoxe gehen seit Monaten gegen die Verpflichtung zum Wehrdienst auf die Straße, hier zu sehen bei einer Blockade in Bnei Brak vergangenen Donnerstag.
AFP/JACK GUEZ

Es war eine lange, nicht nur rechtliche Auseinandersetzung, die nun ihr vorläufiges Ende gefunden hat: Israels höchstes Gericht hat am Dienstag einstimmig entschieden, dass auch ultraorthodoxe jüdische Männer zum Wehrdienst verpflichtet werden müssen. "Auf dem Höhepunkt eines harten Krieges ist die Belastung durch eine ungleiche Verteilung der Bürde größer denn je und erfordert eine Lösung", hieß es in der Urteilsbegründung. Es gebe keine juristische Grundlage, um Ultraorthodoxe von der Wehrpflicht zu befreien.

Betroffen sind davon rund 63.000 Männer, für die bis vor wenigen Monaten Ausnahmen gegolten haben. Die Regelung ist allerdings mit Ende März ausgelaufen. Benjamin Netanjahus Koalition gelang es nicht, ein Gesetz zu verabschieden, das weitere Erleichterungen zementiert hätte, obwohl nur eine Quote den Höchstrichtern auch gereicht hätte. Einem Ansuchen der Regierung um eine Fristverlängerung gab das Höchstgericht nicht statt, sondern verordnete unter anderem eine Streichung der staatlichen Subventionen für ultraorthodoxe Männer im wehrpflichtigen Alter, die in Religionsschulen studieren.

Privileg aus dem Jahr 1948

Männer müssen in Israel regulär drei Jahre, Frauen zwei Jahre Wehrdienst leisten. Dass alle 18-jährigen jüdischen Israelis einberufen werden, nur die Ultraorthodoxen nicht, ist ein Privileg, das 1948 den paar Hundert Strenggläubigen eingeräumt wurde, die es damals gab. Heute stellen die Ultraorthodoxen allerdings 13 Prozent der Bevölkerung; in 40 Jahren wird schon jeder dritte Israeli ein Ultraorthodoxer oder eine Ultraorthodoxe sein.

Viele Israelis fragen sich schon lange, ob das in einem dauerhaft von Krieg und Terror bedrohten Staat wie Israel fair ist. Denn wie lässt es sich erklären, dass eine 18-jährige säkulare Israelin ins Gefängnis muss, wenn sie den Militärdienst verweigert, aber ein ultraorthodoxer Gleichaltriger sogar Geld vom Staat bekommt, um sich der Armee zu entziehen und stattdessen die Thoraschule zu besuchen?

Uneinigkeit in der Regierung

Das Thema Wehrpflicht war zuletzt immer mehr zu einer Zerreißprobe für Israels Regierung geworden. Die strengreligiösen, teils rechtsextremen Partner Netanjahus lehnen eine Einberufung junger Männer aus ihrer Gemeinschaft strikt ab. Am Streit um ein Gesetz, das schrittweise mehr strengreligiöse Männer zum Dienst an der Waffe verpflichten sollte, war bereits 2018 die Regierungskoalition zerbrochen.

Auch beim weiteren Kurs im Gazakrieg ist sich die Koalition nicht einig. Während international die Kritik an Israels Vorgehen, vor allem an der Offensive in der von Flüchtlingen überfüllten Stadt Rafah, groß war, fordern Netanjahus Partner ein noch härteres Vorgehen gegen die Hamas. Bei israelischen Angriffen auf Gaza-Stadt in der Nacht auf Dienstag wurden nach palästinensischen Angaben mindestens 24 Menschen getötet. Die Attacken hätten zwei Schulen in Gaza-Stadt getroffen und dort mindestens 14 Todesopfer gefordert, hieß es von Rettungskräften vor Ort. Bei dem Angriff auf ein Haus im Flüchtlingslager Al-Shati seien zehn Menschen getötet worden. Darunter sollen sich auch eine Schwester und weitere Angehörige des in Katar lebenden Hamas-Chefs Ismail Haniyeh befunden haben. (maa, sterk, 25.6.2024)