Die ÖVP lässt in diesen Tagen nur wenig aus, um zu dokumentieren, wie tief ihr Zerwürfnis mit den Grünen ist. Sei es der Casus Belli an sich – Umweltministerin Leonore Gewesslers Ja zum EU-Renaturierungsgesetz – oder die nunmehrige Grünen-Kritik an mangelnder Unabhängigkeit des Verfassungsdienstes im Bundeskanzleramt, der die ÖVP-Argumentation gegen die Ministerin stützte: Gewessler habe eine "furchterregende Entwicklung" durchlaufen, ihr Verfassungsdienst-Tadel "unterwandert den Rechtsstaat", formulierte Verfassungsministerin Karoline Edtstadler.

Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) und Vizekanzler Werner Kogler
Derzeit keine guten Freunde: Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne).
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Edtstadler sollte derlei Pathos besser lassen – und sich, was den Verfassungsdienst betrifft, den tatsächlichen Gegebenheiten zuwenden. Die Kanzleramtsrechtsberatung besteht aus Juristinnen und Juristen, hochqualifizierten Leuten, die in Ausübung ihrer Funktion jedoch keineswegs selbstbestimmt wie Richter und Richterinnen agieren. Vielmehr sind sie in die Strukturen und Hierarchien des Kanzleramts eingebunden, was zwangsläufig gewisse Abhängigkeiten mit sich bringt.

Änderungen in Deutschland

Das auszusprechen ist kein rechtsstaatliches Sakrileg, sondern im Gegenteil ein rechtsstaatlich wichtiger Befund, sagt Peter Hilpold, Europarechtsexperte der Uni Innsbruck. Damit hat er recht. In Deutschland und einer Reihe anderer Staaten wurde die Diskussion, wie dem Verfassungsdienst ähnliche Einrichtungen unabhängiger und damit qualitativ besser werden können, bereits geführt. In Österreich steht sie noch an – und sie sollte möglichst ohne vernichtende Kritik ablaufen. (Irene Brickner, 25.6.2024)