Wien – Bei der kommenden Nationalratswahl am 29. September dürfen nur Menschen mit österreichischer Staatsbürgerschaft wählen. Für die Österreicherinnen und Österreicher ist das Wahlrecht ohnehin eine Selbstverständlichkeit – etliche entscheiden sich auch dafür, gar nicht wählen zu gehen, weil keine Partei so richtig zusagt.

Es gibt aber auch Personen mit österreichischem Pass, denen es nicht erlaubt ist, ihre Stimme abzugeben. Und zwar dann, wenn eine längere Freiheitsstrafe abgesessen werden muss oder bestimmte Delikte begangen wurden.

Nicht alle Personen mit österreichischer Staatsbürgerschaft dürfen wählen.
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Grundsätzlich werden Wahlausschlüsse in jedem Einzelfall individuell ausgesprochen. Es gibt also kein Delikt, das automatisch zu einem Wahlausschluss führt. Das zuständige Gericht muss erst prüfen, ob ein derartiger Ausschluss Sinn macht.

Das kann etwa bei Personen, die wegen einer vorsätzlich begangenen Straftat zu mehr als fünf Jahren unbedingter Haft verurteilt sind, der Fall sein. Eine kürzere Haftstrafe darf laut Gesetz nicht zu einem Ausschluss führen – außer wenn es sich bei der Straftat um Wiederbetätigung, Landesverrat, Wahlbetrug, Terrorismus oder Ähnliches handelt. Auf Anfrage des STANDARD erklärt das Innenministerium, dass Wahlausschlüsse meistens dann ausgesprochen werden, wenn sich eine Straftat "gegen die Demokratie und ihre Institutionen" richtet.

Wie viele Personen von der Nationalratswahl wegen eines bestimmten Delikts ausgeschlossen sind, kann weder das Innen- noch das Justizministerium auf Nachfrage beantworten. Aber: "Inzwischen werden nur mehr äußerst selten Wahlausschlüsse von den Strafgerichten ausgesprochen", heißt es von einem Sprecher des Innenministeriums. Einen lebenslangen Ausschluss vom Wahlrecht gibt es im Übrigen nicht – der Ausschluss richtet sich immer nach der Länge der Haftstrafe.

Reform im Jahr 2011

Erst seit etwas mehr als einem Jahrzehnt werden Wahlausschlüsse in Österreich derart geregelt. Vor 2011 galt: Wer in Österreich wegen einer vorsätzlich begangenen Straftat ein Jahr oder länger im Gefängnis saß, war in dieser Zeit sowie weitere sechs Monate danach vom Wahlrecht ausgeschlossen.

Grund für die Reform war der Fall des ehemaligen Fernsehmoderators Helmut Frodl, der 1993 zu lebenslanger Haft verurteilt wurde und dementsprechend kein Wahlrecht besaß. Sein Begehren, wählen zu können, gelangte bis vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), der ihm recht gab. Der EGMR argumentierte, dass der generelle Ausschluss gegen das Recht auf freie Wahlen verstößt. Seither muss jedes Gericht einzeln entscheiden, ob ein Wahlausschluss begründet ist. (Max Stepan, 25.6.2024)