Im Mittelpunkt der Kritik stehen oftmals die Hautfarbe, das Geschlecht sowie die sexuelle Orientierung der Charaktere.
Disney

Seit wenigen Wochen ist die neue Serie The Acolyte, die innerhalb des Star Wars-Universums spielt, auf dem Streamingdienst Disney+ zu sehen. Ihre Bewertungen fallen seitdem und fielen auch schon vor der Premiere schlecht aus. So schlecht, dass von Review-Bombing die Rede ist. Eine auffällige Masse an Userinnen und Usern macht die Serie zu der am schlechtesten bewerteten Produktion in der 50-jährigen Star Wars-Geschichte. In ihrer kurzen Laufzeit hat sie viermal so viele Bewertungen wie die am längsten laufende Reihe, The Clone Wars, erhalten. Auf IMDB erhielt The Acolyte von 58 Prozent der 66.000 Rezensionen einen von zehn Sternen. Dabei handelt es sich bei weitem nicht nur um fundierte Kritik.

Zwischen Kritik und Hass

Der Begriff Review-Bombing, also die Bombardierung mit Kritik, beschreibt ein im Netz stark erhöhtes Aufkommen von negativem Feedback von Userinnen und Usern zu einem bestimmten Produkt. Meist geschieht dies sichtbar auf Plattformen mit einer integrierten Bewertungsfunktion, oftmals bereits vor der (vollständigen) Ausstrahlung der Produktion. Die Grenze zu einem natürlich entstehenden negativen Feedback ist hier nicht immer einfach zu ziehen. Die Meinungen enttäuschter Fans müssen jedoch unterschieden werden von Formen des kalkulierten Protests oder des Trollings. Insbesondere dann, wenn Nutzerinnen und Nutzer sich zu diesem Zweck vernetzen oder massenhaft schlechte Bewertungen von verschiedenen Accounts abgeben.

Nicht selten greift das Review-Bombing politische Diskurse auf: Das Phänomen tritt auffallend häufig bei Produktionen auf, die einen besonders diversen Cast aufweisen. So entbrannte sich etwa der Diskurs der bislang am schlechtesten bewerteten Netflix-Serie aller Zeiten, Queen Cleopatra, an der Hautfarbe der Hauptdarstellerin (laut Feedbacks war sie im Vergleich zur historischen Herrscherin "zu schwarz"). Auch die Herr der Ringe-Serie Die Ringe der Macht brachte zwar äußerst gute Zahlen ein, erhielt allerdings massenhaft schlechte Bewertungen und Hasskommentare. Hier hat man sich ebenfalls an der Besetzung der Amazon-Produktion abgearbeitet, die sowohl einige People of Colour als auch eine Frau als Hauptfigur beinhaltet. Der Cast schloss sich daraufhin "in absoluter Solidarität und gegen den unerbittlichen Rassismus, die Drohungen, die Belästigungen und den Missbrauch, denen einige unserer Castmates of Colour täglich ausgesetzt sind", zusammen.

Rassismus und Queerfeindlichkeit 

Zum Fall von The Acolyte schreibt Forbes-Autor Paul Tassi, er hätte noch nie eine lehrbuchmäßigere Form von Review-Bombing erlebt. Unterstützt würde dies durch Foren und wutschnaubende Youtuber, die das Ganze in einen Protest eskalieren lassen. Auch in diesem Fall geht es nicht darum, dass eine Produktion einfach nicht gefallen hat, sondern um Rassismus, Misogynie und Schikanen gegen die Darstellerinnen und Darsteller. Bereits vor dem Start der Serie schlug ihr eine Welle des Hasses entgegen, wobei sich eine Vielzahl der Kommentare durch rassistische und queerfeindliche Äußerungen auszeichneten. So wird auch ein Zitat der Hauptdarstellerin Amandla Sternberg im Rahmen von Hasstiraden zweckentfremdet und missbraucht: In einem Interview über The Hate U Give, einer Geschichte über Polizeigewalt gegenüber schwarzen US-Bürgerinnen und Bürgern, sagte sie, das Ziel des Films sei es, weiße Menschen zum Weinen zu bringen.

Leslye Headland, die Schöpferin des neusten Star Wars-Zuwachses, sieht sich ebenfalls mit Diskussionspunkten konfrontiert, die wenig bis nichts mit ihrem kreativen Schaffen zu tun haben: Die Queerness sowohl ihrer Charaktere als auch Teile der Filmschaffenden ist ein großer Teil der Online-Kontroversen. Im Gespräch mit The Hollywood Reporter sagt sie: "Ehrlich gesagt finde ich es traurig, dass die Leute denken, wenn etwas schwul ist, wäre das schlecht. Es macht mich traurig, dass ein Haufen Leute im Internet das, was ich für das wichtigste Kunstwerk halte, das ich je gemacht habe, irgendwie zerlegen."

Es ist nicht einfach, Review-Bombing zu begegnen. Anlässlich der Ausstrahlung von Captain Marvel, einem deutlich milderem Fall als diesem, änderte Rotten Tomatoes die Policies: Es musste nachgewiesen werden, dass der besagte Film tatsächlich geschaut wurde, bevor eine Bewertung abgegeben werden konnte. Für TV-Produktionen konnte allerdings noch kein ähnliches System eingeführt werden. So sind die Beteiligten nach wie vor gezwungen, direkt auf die Hasswellen zu reagieren. The Acolyte-Hauptdarstellerin Stenberg wurde dabei besonders kreativ: Sie entgegnete dem Hass mit einem selbstproduzierten Song inklusive Musikvideo. Unter ihrem Instagram-Post schreibt sie: "Fröhliche Juneteenth. Und an diejenigen, die mich mit unerträglichem Rassismus überfluten – da ich 72 Stunden an meinem Laptop gebraucht habe, um diesen Song und dieses Video zu produzieren, habt ihr 72 Stunden Zeit zu antworten. Und ich erwarte eine Choreo!" (hlk, 26.6.2024)