Jetzt darf Julian Assange endlich heim.
AFP/WILLIAM WEST

Endlich ist das jahrelange Drama um Julian Assange zu Ende. Durch einen Deal mit der US-Justiz wird der mittlerweile 52-jährige Wikileaks-Gründer nach sieben Jahren in der ecuadorianischen Botschaft in London und fünf Jahren in einem britischen Sicherheitsgefängnis wieder freikommen. Und so, wie sich die ganze Causa im Graubereich zwischen Gut und Böse abgespielt hat, ist auch ihr Abschluss voller Grautöne.

Unbestritten ist, dass der Australier der Welt einen wichtigen Dienst erwiesen hat, als er mit seiner Plattform 2010 mutmaßliche US-Kriegsverbrechen in Afghanistan und im Irak aufgedeckt hat. Tatsache ist aber auch, dass er riesige Datenmengen an heiklen Papieren ins Netz gestellt hat. Ungeprüft, also nicht darauf achtend, dass Menschen durch diese Veröffentlichungen gefährdet wurden – Menschen, die mit den Vorwürfen gar nichts zu tun haben. Also genau so, wie es bei seriösem Journalismus überhaupt nicht sein sollte.

Armutszeugnis für den Westen

Welch massive juristische und politische Maschinerie die USA dann angeworfen haben, um Assanges habhaft zu werden, ist zweifellos zu verurteilen. Gleichzeitig ist es aber auch ein Armutszeugnis für den Westen, der dies lange widerspruchslos hingenommen hat. Erst in den letzten zwei, drei Jahren wurde vonseiten verbündeter Regierungen Kritik laut.

Auf der anderen Seite hatte Assange bei seiner Arbeit, die anfangs verstärkt journalistische und später mehr und mehr aktivistische Züge hatte, immer auch eine gewisse Schlagseite mit radikalen Tendenzen. Besonders auffällig ist dabei seine augenscheinliche Nähe zu Russland. Eine Randnotiz ist dabei, dass er 2012 beim russischen Propagandasender Russia Today eine eigene Talkshow hatte. Weit brisanter wurde es 2016, als er mit hoher Wahrscheinlichkeit von Moskau instrumentalisiert wurde, um Hillary Clinton im US-Präsidentschaftswahlkampf zu schaden – mit Erfolg, wie sich später herausstellen sollte. Auch die Kontaktversuche von Wikileaks zum Lager von Donald Trump werfen ein schiefes Licht auf Assange.

Das rechtfertigt natürlich nicht das Vorgehen der USA gegen ihn, aber spielt doch eine wesentliche Rolle bei der Frage, ob er nun wirklich der Held ist, der Märtyrer, als den sein Lager ihn gerne darstellt.

Die USA wahren ihr Gesicht

Der Deal zwischen den USA und Assange ist nun ein Kompromiss, der im positiven Sinn vor allem eines beinhaltet: das Ende einer Causa, die im Jahr 2024 fast schon anachronistisch erscheint. Schließlich widmete sich Assange möglichen US-Kriegsverbrechen in Afghanistan und im Irak, während sich die Welt derzeit vor allem um die Kriege in der Ukraine und Gaza dreht.

Der Deal ist aber vor allem auch deshalb ein Kompromiss, weil er für die USA eine gesichtswahrende Lösung ist. Für Assange gibt es einen Schuldspruch und damit formell eine Haftstrafe. Washington kann also behaupten, ihn zur Rechenschaft gezogen zu haben. Auf der anderen Seite hat der Wikileaks-Gründer seine Freiheit wieder.

Dieser eine Schuldspruch ist aber besonders heikel: Assange bekennt sich der Verschwörung zur Beschaffung und Weitergabe von als geheim eingestuften US-Verteidigungsdokumenten schuldig – etwas, was Teil des Kerngeschäfts investigativer Journalisten und Journalistinnen ist. Dass Assange nun genau dafür verurteilt wird, ist, trotz aller Grautöne, ein schwerer Schlag für die Pressefreiheit. (Kim Son Hoang, 25.6.2024)