Die Bühne des
Die Bühne des Kultursommer Wien beim Wasserturm in Favoriten im Jahr 2023.
Theresa Wey

Zum Wiener Popfest rund um den Karlsplatz, dem Donaukanaltreiben, dem Gürtel-Nightwalk oder dem traditionellen Donauinselfest hat sich seit der Pandemie und den Lockdowns eine weitere städtische Veranstaltungsreihe gesellt, die niederschwellig bei freiem Eintritt die vielbeschworene Kultur für alle beschwört. Die Reihe nennt sich Kultursommer Wien, im Vorjahr zählte man laut Stadtregierung an die 80.000 Besucher.

Laut Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ) beträgt das Budget für diese als "Leuchtturmprojekt" firmierende Sause, von dem mehr als 500 Acts und gut 2000 Künstler und Künstlerinnen bezahlt werden, heuer wiederum vier Millionen Euro. Das Geld kommt aus einem nunmehr zum regulären Budget des städtischen Kulturressorts zählenden Topf. Vergütet wird mittels eines Prinzips namens "Fair Pay": Pro Auftritt und Gruppe werden so 530 Euro für jeden Act ausbezahlt werden – und dies ohne Ansehen des eventuellen Bekanntheitsgrads der Auftretenden. "Die Bezahlung ist für alle gleich", so Kaup-Hasler. Eine stolze Summe für manch eine Musik- oder Theatergruppe, die kaum von privaten Veranstaltungsgruppen und Wiener Musiklokalen oder Kleintheatern aufgeboten werden könnte.

Neun Pop-up-Bühnen

Auftreten werden die aus den Bereichen Pop, Klassik, moderner Zirkus, Tanz, Theater, Kabarett oder Klassik kommenden, aus 3500 Bewerbungen durch eine von der personellen Besetzung her imposante, insgesamt 15-köpfigen Fachjury ausgewählten, ausschließlich heimischen Künstler und Künstlerinnen auf neun Pop-up-Bühnen. Neben dem schon etablierten Währinger Park, dem Reithoffer Park in Fünfhaus oder dem Wasserturm in Favoriten kommen heuer drei neue Locations dazu. Der Hyblerpark in Simmering, der Wilhelmsdorfer Park in Meidling und die Großfeldsiedlung in Floridsdorf dürften in der mittlerweile fünften Auflage des Kultursommer Wien selbst für erkundungsfreudige Stadtbewohner bisher eher unbekannte Destinationen für einen Kunstgenuss darstellen. Neben Zugpferden wie Birgit Denk, Yasmo oder dem Trio Lepschi im Bereich Musik und wienerisch eingefärbtem Liedgut, gilt es also hoffentlich diverse, bisher unbekannte Schätze zu heben.

Kritik kommt bezüglich der Gratisveranstaltungen, die bis einschließlich 11. August jeweils von Donnerstag bis Sonntag über die Bühnen gehen werden, von eher niedrig bis gar nicht subventionierten Wiener Kleinveranstaltern. Der Kultursommer sei zwar ein ideales Sprungbrett für Künstler und Künstlerinnen, die erst am Beginn ihrer Karrieren stehen und dadurch die Chance auf die Erlangung einer größeren Bekanntheit erhalten würden – und auch die für die meisten Beteiligten stolzen Gagen seien nicht zu verachten. Bei so vielen Gratiszugängen zu Kultur würde allerdings auch eine bereits seit dem Bestehen des Kultursommers verzeichnete Gefahr drohen.

Gefahr der Zerstörung von Infrastruktur

Wer anschließend in Lokalen gegen Eintritt (von auch nur wenigen Euros im einstelligen oder niedrigen zweistelligen Bereich) auftreten wolle, müsse, durchaus realistisch betrachtet, damit rechnen, dass das Publikum ausbleibe. Eine langfristige Zerstörung der lokalen Infrastruktur könne schließlich auch nicht im Interesse einer Stadt liegen, die so sehr auf kulturelle Vielfalt und zeitgenössische Hippness weit über die lokalen Grenzen hinaus bestehe. (Christian Schachinger, 28.6.2024)