Das juristische Tauziehen um Wikileaks-Gründer Julian Assange beschäftigte die Weltöffentlichkeit über viele Jahre: Die USA wollten den heute 52-jährigen Australier wegen der Veröffentlichung geheimer Dokumente und Verstößen gegen das Antispionagegesetz vor Gericht stellen, ihm drohte eine lebenslange Haft. Assange und seine Unterstützer kritisieren seine Strafverfolgung als politisch motiviert.

2010

Von Juli bis Oktober veröffentlicht die Enthüllungsplattform Wikileaks rund 470.000 als geheim eingestufte Dokumente, die mit diplomatischen Aktivitäten der USA und mit den Kriegen in Afghanistan und im Irak zu tun haben. Weitere 250.000 Dokumente kommen später hinzu.

Im November erwirkt die schwedische Staatsanwaltschaft einen internationalen Haftbefehl gegen Assange. Ihm werden Vergewaltigung und sexuelle Gewalt gegen zwei Frauen vorgeworfen.

Assange weist die Anschuldigung zurück und stellt sich kurz darauf der Polizei in London. Bis zur Entscheidung über einen schwedischen Auslieferungsantrag kommt er gegen Kaution auf freien Fuß.

Assange 2010 bei einer britischen Polizeistation.
AP/Kirsty Wigglesworth

2011

Im Februar gibt ein britisches Gericht dem schwedischen Auslieferungsantrag statt. Assange äußert sich besorgt: Er befürchtet, dass Schweden ihn an die USA ausliefern könnte.

2012

Assange flieht im Juni in die Botschaft Ecuadors in London und beantragt erfolgreich politisches Asyl.

Gruß vom Botschaftsfenster aus: 2012 flüchtet Assange in die Botschaft Ecuadors in London.
AFP/LEON NEAL

2016

Vor der US-Präsidentschaftswahl veröffentlicht Wikileaks rund 20.000 E-Mails aus dem Parteiapparat der Demokraten. Sie stammen aus dem Wahlkampfteam der Kandidatin und früheren Außenministerin Hillary Clinton, welche die Wahl letztlich gegen Donald Trump verliert.

2017

Die Staatsanwaltschaft in Schweden stellt die Ermittlungen gegen Assange ein.

2018

Ecuador erklärt, es sei auf der Suche nach einem Vermittler, um Assanges "unhaltbare" Situation zu beenden. Im März kappt das Botschaftspersonal dann Assanges Kommunikationszugänge. In den USA taucht ein Dokument auf, wonach gegen Assange offenbar heimlich Anklage erhoben wurde.

2019

Ecuadors Präsident Lenín Moreno erklärt, Assange habe die Auflagen für sein Botschaftsasyl "wiederholt verletzt". Im April nimmt die britische Polizei Assange fest, nachdem ihm das Asyl entzogen worden ist. Im Mai wird der Australier zu 50 Wochen Haft wegen Verstoßes gegen Kautionsauflagen verurteilt.

Ende Mai verschärft die US-Justiz ihre Anklage gegen Assange. Dem Wikileaks-Gründer werden nun auch Verstöße gegen Antispionagegesetze vorgeworfen.

2019 muss Assange die ecuadorianische Botschaft verlassen. Er kommt in Haft.
AFP/DANIEL LEAL

2020

Ende Februar beginnt in London die Hauptanhörung im Auslieferungsverfahren gegen Assange. Im April wird bekannt, dass der Wikileaks-Gründer während seines Asyls in der Botschaft von Ecuador zweimal Vater geworden ist. Das enthüllt die Mutter der beiden kleinen Buben, Stella Moris. Sie war Mitglied von Assanges Anwaltsteam und ist nach eigenen Angaben seit 2017 mit ihm verlobt.

Anfang September wird das wegen der Corona-Pandemie unterbrochene Auslieferungsverfahren fortgesetzt. Ein Psychiater bescheinigt Assange vor Gericht eine Suizidgefährdung. Der Australier sei hochgradig depressiv und habe Halluzinationen.

2021

Das zuständige Londoner Gericht entscheidet am 4. Jänner, dass Assange nicht in die USA ausgeliefert werden darf. Wegen der strikten Haftbedingungen in den Vereinigten Staaten bestehe das "beträchtliche" Risiko, dass sich Assange im Gefängnis das Leben nehmen könnte. Die US-Regierung legt Berufung ein. Im Dezember gibt der High Court in London der US-Seite recht und hebt das Auslieferungsverbot auf. Kurz darauf gibt Assanges Verlobte Moris bekannt, dass der Wikileaks-Gründer Ende Oktober einen leichten Schlaganfall erlitten habe.

2022

Assange zieht im Jänner vor den Supreme Court in London. Am 14. März entscheidet der Oberste Gerichtshof jedoch, sich nicht mit dem Berufungsantrag gegen seine Auslieferung zu befassen.

Am 23. März heiraten Assange und Moris. Sie geben einander im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh im Süden Londons das Jawort.

Im April erlässt der Westminster Magistrates Court schließlich einen Auslieferungsbeschluss. Im Juni genehmigt die britische Regierung die Auslieferung an die USA mit der Begründung, dass diese nicht "repressiv, ungerecht oder ein Missbrauch des Verfahrens" wäre. Auch seine Grundrechte – einschließlich der Rechte auf ein rechtsstaatliches Verfahren und Meinungsfreiheit – seien nicht beeinträchtigt. Anfang Juli stellt Assange einen Antrag auf Berufung.

Protest 2022: Assange ist längst auch zum Symbol geworden.
REUTERS/ALKIS KONSTANTINIDIS

2023

Ein Richter am Londoner Hight Court lehnt die von Assanges Anwälten eingereichten Anträge auf Berufung – sowohl gegen die ursprüngliche Gerichtsentscheidung über die Auslieferung als auch gegen den Auslieferungsbescheid der britischen Regierung – ab.

2024

Der britische High Court entscheidet am 26. März, dass Assange gegen den Beschluss zu seiner Auslieferung Berufung einlegen darf.

Im Juni 2024 ist Julian Assange wieder frei.
AFP/WikiLeaks/-

Am 24. Juni wird ein Deal zwischen Assange und den US-Behörden bekannt: Assange gesteht in einem Punkt seine juristische Schuld ein. Die US-Justiz betrachtet die dafür fällige Haft als verbüßt. Assange ist frei. (red, APA, 25.6.2024)