Handy
Die Staatsanwälte befürchten eine drastische Verzögerung von Verfahren durch das geplante Gesetz.
AFP/JADE GAO

Wien – Massive Bedenken gegenüber der Neuregelung der Handysicherstellung äußert die Vereinigung der österreichischen Staatsanwältinnen und Staatsanwälte. Die Standesvertretung kritisiert besonders die organisatorische Trennung von Aufbereitung und Auswertung der Handydaten. Damit sei dieser Bereich des Ermittlungsverfahrens gänzlich der Kontrolle der Justiz entzogen, heißt es in der am Montag eingebrachten Stellungnahme zum Gesetzesentwurf, dessen Begutachtungsfrist am 1. Juli endet.

Für die größten Bedenken sorgt, dass die Datensicherung sowie die Verwahrung der Datenträger künftig nur durch noch zu schaffende eigene Organisationseinheiten der Kriminalpolizei erfolgen soll. Die Datensicherung werde einer Organisationseinheit der Kriminalpolizei und somit weisungsgebundenen Beamten des Innenministeriums übertragen, kritisieren die Staatsanwälte.

Verzögerung von Verfahren berfürchtet

Fraglich erscheine dabei, wie die vorgesehene strikte Trennung zwischen der für die Datenaufbereitung zuständigen Einheit und jenen, die für die Führung des Ermittlungsverfahrens zuständig sind, bewerkstelligt werden soll. Beide würden den jeweiligen Dienststellenleitungen, den Landespolizeidirektionen und letztlich dem Innenminister unterstehen. Zweifel haben die Staatsanwälte, ob die Neuregelung mit der Bundesverfassung sowie der Strafprozessordnung in Einklang zu bringen ist. Demnach habe die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren zu leiten, sie entscheide eigenständig über Ermittlungen der Kriminalpolizei oder führe solche selbst durch.

Befürchtet wird "eine drastische Verzögerung von Verfahren", weil vor der Sicherung der Datenträger keine Prüfung auf Relevanz durch die Staatsanwaltschaft möglich sei. Der Staatsanwaltschaft sei es auch nicht mehr möglich zu überprüfen, ob die gewünschten Daten vollständig gesichert und aufbereitet wurden.

Besonders in dringenden Fällen wie einem Amoklauf, Terroranschlag, Geiselnahme, organisiertem Suchtmittelhandel oder Mord verstreiche wertvolle Zeit, bis den ermittelnden Behörden die notwendigen Daten zur Verfügung stehen und es drohen Beweismittelverluste, warnt die Standesvertretung.

Keine Notwendigkeit der organisatorischen Trennung

Wegen des erhöhten Begründungsaufwands, erweiterter Verständigungs- und Informationspflichten und des Ausbaus des Rechtsschutzsystems geht die Standesvertretung von einem "sehr hohen personellen Mehrbedarf" sowohl im staatsanwaltschaftlichen als auch im richterlichen und im jeweiligen Backoffice-Bereich aus. Mit dem veranschlagten Plus an 14 Planstellen für die Staatsanwaltschaften könne der prognostizierte Mehraufwand keinesfalls abgedeckt werden, heißt es in der Stellungnahme. Zudem sei der Personal-Mehrbedarf der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), der Oberstaatsanwaltschaften und der Generalprokurator sowie der Bezirksanwälte völlig unberücksichtigt geblieben.

Aus Sicht der Staatsanwälte bestand auch gar keine Notwendigkeit für die organisatorische Trennung. Denn dass die Ermittlungsbehörden künftig keinen Zugriff mehr auf die Datenträger oder den Gesamtdatenbestand erhalten sollen, sei dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs, das die bisherige Bestimmung im Vorjahr aufgehoben und damit die Neuregelung notwendig gemacht hatte, nicht zu entnehmen.

Das Justizministerium werde die Stellungnahmen zum Gesetzesentwurf selbstverständlich noch prüfen, meinte Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) zu der Kritik am Abend, verteidigte aber zugleich die organisatorische Trennung zwischen der forensischen Auswertung der Daten und den Ermittlungen. Die Bedenken der Staatsanwaltschaft konnte sie nicht nachvollziehen: Im Gegenteil, sie erwarte sich von der Änderung, dass es künftig schneller gehe, Strafverfahren zu beenden, "weil von Anfang an zielgerichteter vorgegangen werden kann und auch muss", sagte die Ministerin in der ZiB 2 des ORF. (APA, 24.6.2024)