Felix Auböck auf dem Weg zum EM-Titel. Seine Siegerzeit über 400 m Kraul, gleichzeitig österreichischer Rekord (3:43,24), wäre 2021 auch olympisches Gold wert gewesen.
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Das nennt man einen Motivationsschub. Österreich hat die Schwimm-EM in Belgrad sensationell auf Rang fünf im Medaillenspiegel beendet. Zu den zwei Goldenen der Synchronschwimmerin Vasiliki Alexandri und dem Sensationssieg der synchronen Turmspringer Anton Knoll und Dariush Lotfi kamen zunächst eine Silberne Simon Buchers (50 m Delfin) sowie dank Felix Auböck (400 m Kraul) und der Lagenstaffel mit Bernhard Reitshammer, Valentin Bayer, Simon Bucher und Heiko Gigler zwei weitere Titel dazu.

Das lässt für die Olympischen Spiele (Paris, ab 26. Juli), auch wenn Solo-Synchronschwimmen sowie der Delfinsprint nicht auf dem Programm stehen und die Synchronspringer die Qualifikation verpassten, einiges erwarten. Bär wünscht sich in Österreich mehr Bäder, mehr Becken, mehr Bahnen. Man sollte sich "vom Gedanken lösen, dass sich ein Bad wirtschaftlich gewinnbringend betreiben lassen muss".

STANDARD: Nach dem Rückflug von Belgrad nach Österreich – wie stark ist die Bodenhaftung?

Bär: Ich bin ein sehr bodenständiger Mensch. Außer mit Flugzeugen hebe ich nicht ab. Belgrad war so heiß wie erfolgreich. Und Belgrad war wirklich unglaublich heiß.

STANDARD: Es hatte tagelang über dreißig Grad im Schatten. Wie ist das Team mit der Hitze umgegangen?

Bär: Raunzen war verboten. Der Rat an alle war, sich viel im Hotel aufzuhalten. Nur wenn jemand anderer ein Finale geschwommen ist, war Anwesenheitspflicht. Aber da wollen sowieso immer alle dabei sein, so brütend kann die Hitze gar nicht sein. Einmal gab es ein Gewitter, das war wie ein Aufguss in der Sauna.

STANDARD: Fünf EM-Titel gab’s zuvor noch nie für Österreich, zudem verteilten sie sich auf Schwimmen, Synchronschwimmen und Wasserspringen. Der gelernte Österreicher fragt sich, ob diese EM wegen der zeitlichen Nähe zu den Spielen in Paris schwächer besetzt war. Was antworten Sie?

Bär: Ich antworte, dass das in dem einen oder anderen Bewerb wohl der Fall gewesen sein wird. Aber ich ziehe auch Vergleiche. Auch bei den US-Trials hätte Felix mit seiner EM-Siegerzeit mit zwei Sekunden Vorsprung gewonnen. Und auch bei den Olympischen Spielen 2021 in Tokio hätte er Gold geholt.

"Dieser Erfolg jetzt ist sehr viel wert", sagt Walter Bär.
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STANDARD: Der Sieg der Lagenstaffel hat da schon mehr überrascht.

Bär: Aber auch dieser Erfolg ist alles andere als eine Eintagsfliege. Die Staffel kam heuer bei der WM auf Rang sechs, 2022 holte sie EM-Bronze. Alles kein Zufall. Wir verfolgen seit vier Jahren ein Staffelprojekt, investieren in Videoanalysen und gemeinsame Trainings, um die Ablösen zu perfektionieren. Dieser Erfolg jetzt ist viel wert, weil er auch viele Talente motivieren wird. Die sehen, dass Schwimmen nicht nur ein Einzelsport ist, sondern dass man auch im Team sehr viel erreichen kann.

STANDARD: Felix Auböck knüpfte vor drei Jahren als Kurzbahnweltmeister bereits an Erfolge eines Markus Rogan an. Bei den Olympischen Spielen 2021 belegte er den undankbaren vierten Platz, ab 2022 lief es für ihn nicht nach Wunsch. Wie hat er zurück zur Spitze gefunden?

Auböck: Felix hat viele Jahre im Ausland studiert und trainiert, zuerst in Michigan, dann in Loughborough in England. Im März fragte er an, ob er in die Südstadt zurückkommen kann. Natürlich konnte er. Wir hatten ihn schon während Corona für einige Monate zurückgeholt, er kommt mit Trainer Balazs Fehervari ausgezeichnet klar. Felix ist ein arrivierter Sportler, aber auch Arrivierte brauchen manchmal eine neue Programmierung, neue Reize.

STANDARD: Wie sehen die Ziele für die Olympischen Spiele aus? Kann jetzt eine neue Ära à la Markus Rogan, Maxim Prodoprigora, Dinko und Mirna Jukic anbrechen?

Bär: Fragen Sie mich das bitte noch einmal am 4. August, da sind die olympischen Schwimmbewerbe vorbei. EM- und WM-Medaillen sind ein Kapitel, Olympiamedaillen ein anderes. Markus Rogan hat 2004 zweimal Silber, Mirna Jukic 2008 Bronze geholt. Würde ich behaupten, dass wir nicht mit Medaillen spekulieren, würde ich tiefstapeln. Wir haben Medaillenanwärter, allen voran die Alexandris im Synchronschwimmen-Duett und natürlich den Felix. Ich freue mich über jede Medaille. Was ich gar nicht will, sind vierte Plätze. Dann bitte lieber gleich einen fünften Platz.

STANDARD: Wieso sind die synchronen Turmspringer trotz des EM-Erfolgs nicht bei den Spielen?

Bär: Weil für die Qualifikation die letzten zwei WM-Resultate herangezogen wurden. Und da hat die Konstanz gefehlt. So konstant wie jetzt in Belgrad sind Anton und Dariush noch nie gesprungen. Und sie sind cool geblieben. Das lässt für die Zukunft viel erwarten. Sie sind ja noch jung, erst 19 und 23 Jahre alt.

STANDARD: Sieht man von den Alexandri-Drillingen ab, ist die heimische Schwimmerei derzeit männlich dominiert. Wie erklärt sich das?

Bär: Das ist reiner Zufall. Wir sind ein kleines Land, schöpfen aus einem kleinen Pool. Wenn bei uns zwei, drei aufhören oder sich nicht wie erhofft entwickeln, wirkt sich das schon stark aus. Andere Länder haben ganz anderes Potenzial, auch weil es dort mehr und bessere Trainingsmöglichkeiten gibt, vor allem schon für den Nachwuchs.

STANDARD: Stichwort Ungarn.

Bär: Gut, Ungarn ist sowieso anders. Dort gibt es in vielen nur mittelgroßen Städten schon eine Halle mit 50-m-Becken. In Österreich sperren mehr Schwimmbäder zu als auf. Dabei ist dieser Sport auch gesellschaftlich wichtig, er ist überlebenswichtig. Man müsste sich vom Gedanken lösen, dass sich ein Bad wirtschaftlich gewinnbringend betreiben lassen muss. Man sollte auch den Gewinn sehen, den Schwimmen aus gesundheitlicher oder sozialer Sicht hat.