Aus Sicht der Bildungsdirektion ist die Studie, an der pro Gruppe rund 1000 Personen an einem Fragebogen teilnahmen, "schon allein aufgrund des völlig unreglementierten Zugangs aus dem Internet" wissenschaftlich "nicht seriös".
APA/dpa/Frank Rumpenhorst

Eine Studie der Universität Wien zu den "Effekten des islamischen Religionsunterrichts in Österreich" entspricht nach einer Auskunft der Bildungsdirektion Wien, die dem STANDARD vorliegt, nicht den "notwendigen Standards".

Das Forschungsprojekt sollte die politischen Einstellungen von Jugendlichen der 9. Schulstufe evaluieren. Dabei steht der Islamunterricht im Mittelpunkt: So vergleichen die Studienautoren anhand von Fragebögen die Ansichten von Jugendlichen, die sich vom Islamunterricht abmeldeten, mit solchen von Teenagern, die es nicht taten.

"Manipulative" Meinungen

Aus Sicht der Bildungsdirektion ist die Studie, an der pro Gruppe rund 1000 Personen an einem Fragebogen teilnahmen, "schon allein aufgrund des völlig unreglementierten Zugangs aus dem Internet" wissenschaftlich "nicht seriös". Sie führe "zu manipulativen Meinungen". Die Bildungsdirektion dazu: "Über die Zahl und die Beweggründe der Befragten, falls es sich überhaupt aufgrund eines im Internet freien Link-Zuganges um Jugendliche mit islamischer Religionszugehörigkeit handelt, ist [...] nichts bekannt."

Schon im Vorjahr stand die Studie aufgrund ihrer Methodik in der Kritik, ÖVP-Bildungsminister Martin Polaschek distanzierte sich. Die Bildungsdirektion müsste eine solche Studie eigentlich genehmigen, weil sie unter anderem sensible Materialien betreffe, heißt es in der Auskunft. Das sei nicht geschehen. Hätte sie davon gewusst, so hätten "zahlreiche Fragestellungen eine Bewilligung unmöglich gemacht". Exemplarisch nennt sie Fragen, denen die Jugendlichen zustimmen konnten, wie: "Weil es zurzeit so viel Kriminalität und sexuelle Unmoral gibt, muss man manche Leute härter bestrafen, damit wir unsere moralischen Prinzipien wahren können."

Oder: "Frauen, die sich unsittlich verhalten oder keinen Anstand haben, sollten bestraft werden." Die Einstellung zu Homosexualität wurde mit dem Wording "Es ist ekelhaft, wenn Homosexuelle sich küssen" erfragt, moniert die Muslimische Jugend Österreich (MJÖ). Sie hat Auskunftsbegehren gemeinsam mit der Anwältin Maria Windhager eingebracht und kritisierte im Vorjahr "die rassistische Struktur" der Studie. Die Projektleitung führte der Religionspädagoge Ednan Aslan von der Uni Wien.

Datenschutz verletzt

Auch anderswo konnte die MJÖ zuletzt einen Teilerfolg verzeichnen: nämlich in der Causa rund um die sogenannte "Islam-Landkarte", die ebenso von Aslan gemeinsam mit der Dokumentationsstelle Politischer Islam geschaffen wurde. Dabei handelt es sich um eine im Netz zugängliche Karte muslimischer Institutionen in Österreich. Die MJÖ sah das Datenschutzrecht verletzt – und beschwerte sich bei der Datenschutzbehörde (DSB). Die erteilte dem eine Absage.

In der nächsten Instanz hat nun das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) der Beschwerde der MJÖ teilweise stattgegeben: Die Veröffentlichung der genauen Adressen und Hausnummern der Vereine sowie Daten aus dem Zentralen Melderegister würde gegen das Recht auf Privatsphäre der Betroffenen verstoßen. Zwar bestätigt das Gericht die Forschungstätigkeit prinzipiell und die Sammlung der Daten für zulässig, nicht aber deren Veröffentlichung.

Uni Wien zieht vor Höchstgericht

Diese habe, argumentiert die MJÖ, etwa dazu geführt, dass "nach Bekanntwerden der Landkarte Warntafeln durch Mitglieder der Identitären-Bewegung in Wien aufgestellt worden seien, mit denen auf den Standort von in der Datenbank erfassten Einrichtungen hingewiesen worden sei". Dies sei nicht mit der wissenschaftlichen Forschung vereinbar und entspreche nicht dem Prinzip der Datenminimierung. Die Datenschutzgrundverordnung sieht vor, dass grundsätzlich so wenig Daten wie möglich zu speichern sind.

Der Rechtsstreit ist noch nicht endgültig beendet – sowohl die Datenschutzbehörde wie auch die Uni Wien haben eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben. Auf STANDARD-Anfrage begründet die Uni Wien das damit, dass sie die Rechtslage endgültig klären wolle. Für sie sei "die Freiheit der Wissenschaft ein sehr hohes Gut, das mit dem Recht auf Datenschutz sorgfältig abzuwägen ist", sagt eine Sprecherin. (Muzayen Al-Youssef, 24.6.2024)