Eine Bulldogge an einer Leine.
Wann genau Tierhalter ihre Sorgfaltspflichten verletzen, ist von Fall von Fall unterschiedlich und muss von Gerichten geklärt werden.
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Wann muss ein Hund an die Leine und wann nicht? Die Antwort auf diese vermeintlich simple Frage ist in der Praxis oft schwierig, kann aber weitreichende Konsequenzen haben, wie ein aktueller Fall vor dem Obersten Gerichtshof (OGH) zeigt.

Das Höchstgericht stellte in einer Entscheidung klar, dass Hunde auch in einer ländlichen Umgebung nicht immer frei herumlaufen dürfen. Vielmehr muss die Halterin oder der Halter das Umfeld stets im Blick haben und den Hund gegebenenfalls anleinen. Schon eine Person, die sich 50 Meter entfernt befindet, kann laut der Entscheidung zum Anleinen verpflichten (OGH 23.5.2024, 4 Ob 83/24).

Gerangel der Hunde

Laut den Feststellungen der Gerichte war die Frau mit ihrem angeleinten Hund auf einem Feld am Ortsrand spazieren, als sie der freilaufende Hund eines Mannes ansprang. Dieser hatte seinen Hund von der Leine gelassen, obwohl er die Frau und ihren Hund in 50 Meter Entfernung wahrgenommen hatte. Laut der Entscheidung stieß beim Gerangel der Tiere einer der beiden Hunde ans Bein der Frau. Diese knickte mit dem rechten Fuß um und verletzte sich.

Die Frau klagte den Mann und verlangte insgesamt rund 10.000 Euro. Schon das Bezirksgericht Gänserndorf und das Landesgericht Korneuburg gaben ihr recht. Auch der Oberste Gerichtshof bestätigte diese Entscheidung in letzter Instanz. Für den Schaden haftet also grundsätzlich der Mann; die genaue Höhe muss aber erst ermittelt werden.

Vorsicht auch auf dem Land

Das Argument der Gerichte: Für den Hund des Mannes habe zwar keine generelle Leinenpflicht gegolten, Hunde dürfen allerdings auch in ländlicher Umgebung nicht stets frei herumlaufen. Dass das Ableinen von Hunden im Freiland generell unzulässig sei, sagen die Gerichte nicht. Im aktuellen Fall hätte der Mann jedoch berücksichtigen müssen, dass 50 Meter weiter eine Frau mit ihrem Hund spaziert. Anders wäre der Fall möglicherweise entschieden worden, wenn der Mann hätte beweisen können, dass er das Tier durch Kommandos im Griff hat.

Wird jemand durch ein Tier verletzt, haftet laut Gesetz grundsätzlich derjenige, "der es dazu angetrieben, gereizt oder zu verwahren vernachlässigt hat". Zudem gilt eine Beweislastumkehr: Der Tierhalter haftet dann, wenn er nicht beweisen kann, dass er sich sehr wohl um die "erforderliche Verwahrung oder Beaufsichtigung" gekümmert hat. Wann genau Tierhalter ihre Sorgfaltspflichten verletzten, hängt freilich immer vom konkreten Einzelfall ab. Auch das bestätigte das Höchstgericht. Für Hundehalter bedeutet das wohl: besser Vorsicht als Nachsicht. (Jakob Pflügl, 29.6.2024)