Allzu große Mühe, ihre Lügen zu verschleiern, dürften die Kreml-Propagandisten nach zwei Jahren Angriffskrieg nicht mehr für nötig befinden. So wie nach dem Attentat auf die Konzerthalle Crokus City vor den Toren Moskaus im März soll nach Lesart von Kreml-Sprecher Dmitri Peskow auch hinter den Anschlägen vom Sonntag auf Kirchen, Synagogen und Polizisten in Dagestan die Ukraine stehen.

In Moskau wurden im Andenken an die 19 Getöteten Blumen niedergelegt.
AFP/ALEXANDER NEMENOV

Belege oder gar Beweise braucht der Kreml längst nicht mehr. Wahr ist, was den eigenen Narrativen dient. Und was das Staatsfernsehen meldet, ist in Wladimir Putins Diktatur Gesetz.

Desinformation ist schließlich nicht nur ein Exportschlager. An der viel wichtigeren Heimatfront herrscht nach Jahren der Dauerbeschallung mit antiwestlicher Propaganda großflächig Apathie. Wer nicht ausgewandert ist, schweigt. Und um jene, die den Kreml trotzdem öffentlich hinterfragen, kümmert sich Putins Repressionsapparat.

Ablenkungsstrategie des Kreml

Es ist aber nicht verwunderlich, dass der Kreml mit seiner grotesken Ukraine-Theorie von den weit plausibleren Hintergründen des wieder aufgeflammten islamistischen Terrors im Kaukasus ablenken will. Etwa davon, dass in Dagestan besonders bittere Armut herrscht und überproportional viele Männer von dort in der Ukraine auf dem Schlachtfeld kämpfen. Auch verschweigt man lieber, dass es in Dagestan schon kurz nach Beginn des Gazakriegs zu antisemitischen Randalen gekommen ist – ohne dass es die "Neonazis" aus Kiew dazu gebraucht hätte. (Florian Niederndorfer, 24.6.2024)