Erst eine weltweite Pandemie, in der viele Menschen in der Kurzarbeit weniger verdienten. Danach die Inflation, die die Wohnkosten in die Höhe trieb: Kein Wunder, dass es da bei vielen mit den Wohnkosten immer enger wird. Das merkt man etwa bei der Fachstelle für Wohnungssicherung (Fawos) der Volkshilfe Wien, wo Anfragen betroffener Mieterinnen und Mieter schon seit längerem priorisiert werden müssen, um mit den Beratungen zurande zu kommen.

Wer Probleme mit der Miete hat, sollte so bald wie möglich aktiv werden.
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Auffallend sei, dass in den letzten zwei bis drei Jahren auch Menschen aus dem mittleren Einkommenssegment von Zahlungsschwierigkeiten betroffen sind, sagt Tyresha Kara von Fawos: "Viele hätten sich nie gedacht, dass sie einmal eine Beratungsstelle aufsuchen müssen", die Scham sei daher groß. Ganz am Ende der langen Abwärtsspirale steht in manchen Fällen dann die Delogierung, also der Verlust der eigenen Wohnung.

2288 solche Delogierungen wurden im Vorjahr in Wien durchgeführt, für die meisten Menschen sei das ein traumatisierendes Erlebnis, berichtete Tanja Wehsely, Geschäftsführerin der Volkshilfe Wien, bei einem Pressegespräch: "Die eigene Wohnung zu verlieren ist das Schlimmste, was einem passieren kann. Das ist ein kleiner Tod." Und der Weg zurück in die eigene Wohnung sei ein steiniger.

Auch Vermieter profitieren

Die Fachstelle für Wohnungssicherung bekommt Informationen über gerichtliche Kündigungen, Räumungsklagen und Räumungstermine und nimmt dann Kontakt mit Betroffenen auf. Gemeinsam wird versucht, eine Lösung zu finden und zwischen Mietern und Hausverwaltung zu vermitteln. Das oberste Ziel: die Delogierung zu vermeiden.

Das "Kompetenzzentrum für Non-Profit-Organisationen und Social Entrepreneurship" der Wirtschaftsuniversität Wien hat sich in einer aktuellen Studie angeschaut, was diese Arbeit der Gesellschaft eigentlich bringt. Die Studienautoren Katharina Wankat und Christian Grünhaus erhoben für das Jahr 2021 den gesellschaftlichen und ökonomischen Mehrwert der Delogierungsprävention der Fawos und haben diesen Mehrwert den getätigten Investitionen gegenübergestellt.

Insgesamt flossen im Jahr 2021 rund 930.000 Euro von der Stadt Wien an die Einrichtung. Das Ergebnis der Studie: Die monetarisierten Wirkungen der Wohnungssicherung sind um ein Vielfaches höher und liegen bei 87,4 Millionen Euro. Der größte gesellschaftliche Mehrwert entsteht – wenig überraschend – für jene Betroffenen, die ohne Hilfe der Fawos obdachlos wären, etwa wegen der vermiedenen Folgen für die psychische Gesundheit oder die Lebenserwartung, die bei Obdachlosigkeit statistisch gesehen um 13,5 Jahre sinkt.

Am zweitmeisten profitieren die Kinder der Betroffenen. Am drittmeisten profitiert die Stadt Wien von der Vermeidung einer Delogierung – etwa weil es eine geringere Nachfrage in der Wiener Wohnungslosenhilfe gibt. Und auch Vermieterinnen und Vermieter haben laut der Berechnung einen Mehrwert davon, wenn die Wohnung gehalten und nicht delogiert wird, weil sie weiterhin die Miete erhalten und Verwaltungsaufwand vermieden wird.

Insgesamt entstehen für jeden investierten Euro Wirkungen mit einem monetarisierten Gegenwert von 94 Euro. "Das ist unfassbar hoch", sagt Studienautor Christian Grünhaus. In Wahrheit zeige das Ergebnis aber "etwas Banales, nämlich dass Wohnen wichtig ist und man länger lebt, wenn man eine Wohnung hat". Die Conclusio der Studienautoren: "Prävention bringt's", in diesen Bereich müsse mehr Geld fließen. "Über einen gewissen Zeitraum" müsse man also doppelt fahren und in Prävention, aber auch in die akute Sicherung von Wohnraum investieren.

Mehr Unterstützung

Wobei es mit finanzieller Unterstützung für Betroffene in der Regel nicht getan ist, betont man bei der Volkshilfe Wien. Es brauche auch sozialarbeiterische Unterstützung und Know-how, um Delogierungen abzuwenden. Aktuell mehr denn je: Nach der Finanzkrise schlugen sich die Probleme mit einigen Jahren Verzögerung am Wohnungsmarkt nieder; erst 2013, also fünf Jahre später, war der Peak erreicht. "Und wir gehen davon aus, dass das auch jetzt so sein wird", sagte Wehsely mit Blick auf die Krisen der vergangenen Jahre.

Der Tipp der Fachleute an Menschen, bei denen es mit den Wohnkosten eng wird, ist, sich frühzeitig Hilfe zu suchen und Kontakt zur Hausverwaltung und zu Beratungseinrichtungen herzustellen. Je nach Bundesland gibt es Miet- und Wohnbeihilfen, in Wien gibt es außerdem die Förderschiene Wiener Wohnungssicherung Plus, mit der 70 Prozent der Mietrückstände besonders vulnerabler Personengruppen, die vom Verlust ihrer Wohnung bedroht sind, übernommen werden. Seit der Corona-Pandemie gibt es außerdem den Wohnschirm der Bundesregierung, der in den vergangenen Jahren mehrfach aufgestockt wurde.

Das zugrunde liegende Problem sei aber ein größeres, betonte Wehsely, nämlich die Spekulation mit privatem Wohnraum: "Leistbarer Wohnraum ist das wichtigste Instrument, um Armut zu beenden." (Franziska Zoidl, 25.6.2024)