Mit der EU-Wahl kochte die Debatte über die heimische Asylpolitik einmal mehr hoch, und die SPÖ-Spitze sah sich genötigt, die vor sechs Jahren von den Landeshauptleuten Peter Kaiser und Hans Peter Doskozil formulierte Asylparteilinie kantiger nachzuschärfen.

Parteichef Andreas Babler wollte damit weitere Kritik abwehren, wonach die SPÖ noch immer nicht wisse, wo sie in der Migrationsdiskussion stehe. Babler reagierte damit – bisher erfolglos – auch auf die andauernden Sticheleien des Parteirivalen Doskozil, dem die Parteistrategie stets zu lasch war.

Mit dem präzisierten Kaiser-Doskozil-Asylpapier will SPÖ-Chef Andreas Babler die Migrationsdebatte - auch in den eigenen Reihen - einfangen.
SPÖ-Obmann Andreas Bablers Asylpapier sorgt wieder für Debatten.
APA/ALEX HALADA

Nun hat die SPÖ-Spitze ein 60-seitiges Kompendium vorgelegt, mit Beiträgen einer Reihe von Migrationswissenschaftern. An den schon bekannten Eckpunkten hat sich substanziell kaum etwas geändert, sie wurden aber präzisiert. Da stellt sich nun auch die Frage: Worin unterscheiden sich eigentlich die Positionen der SPÖ von jenen der anderen Parteien?

 Kampfrhetorik um Asyl

Auf einen Nenner gebracht will die SPÖ schnelle Verfahren an den EU-Außengrenzen, eine faire Verteilung der Flüchtlinge in der EU, das Verhandeln von Rückführungsabkommen, ein erweitertes verpflichtendes Integrationsjahr mit Deutsch- und Wertekursen sowie die Abschiebung oder hohe Strafen bei Gewalt- oder terroristischen Delikten. Das alles können wohl alle Parteien im österreichischen Parlament unterschreiben. Deren Positionen in den jeweiligen Programmen unterscheiden sich in den Kernaussagen nicht wesentlich von jenen der SPÖ. Warum auch: Der nationale Asylspielraum ist äußerst begrenzt. Wie das ja auch am kürzlich beschlossenen Asyl- und Migrationspakt der EU ablesbar ist.

Bemerkenswert ist das Auseinanderklaffen von nachlesbaren Parteipositionen und der politischen Kampfrhetorik. Auf der Website der FPÖ steht zum Thema Asyl und Migration etwa: "Es ist ein Gebot der Menschlichkeit, den aus rassischen, religiösen oder politischen Gründen Verfolgten politisches Asyl in unserer Heimat zu gewähren, solange ein Schutzbedürfnis besteht … Bereits integrierte, unbescholtene und legal anwesende Zuwanderer, die die deutsche Sprache beherrschen, unsere Werte und Gesetze vollinhaltlich anerkennen und sich kulturell verwurzelt haben, sollen Heimatrecht und unsere Staatsbürgerschaft erwerben können." Auch hier können sich wohl so ziemlich alle Parteien treffen.

In den blauen Parolen kürzlich im EU-Wahlkampf hörte sich das von Harald Vilimsky dann aber so an: "Festung Europa und Asylchaos stoppen! Das Asylchaos kann nur mit einer No-Way-Politik nach australischem Modell und einer Nulltoleranz bei illegalen Asylanträgen gestoppt werden."

Was FPÖ, ÖVP und SPÖ trennt 

Auffassungsunterschiede unter Österreichs Parteien lassen sich zumindest an zwei Punkten festmachen: der Auslagerung von Asylverfahren in Drittstaaten, Stichwort Ruanda, sowie der Abschiebung von Straftätern. In diesen beiden Bereichen unterscheiden sich die Positionen von SPÖ, Grünen und Neos von jenen der FPÖ und ÖVP.

Türkis und Blau sind für eine Auslagerung in zum Beispiel afrikanische Staaten und strikt für eine Abschiebung von Straftätern, wohin auch immer. Hier sind die anderen Parteien vorsichtiger. Die Neos postulieren auf Anfrage: "Das Ruanda-Modell ist kein Vorbild."

Grüne, SPÖ und Neos verweisen bei Abschiebungen auf die realen Schwierigkeiten, zumal zu fraglichen Ländern gar keine diplomatischen Beziehungen bestehen. "Darum muss sich die FPÖ gar nicht kümmern", sagt Migrationsforscherin Judith Kohlenberger, die mit weiteren Wissenschaftern und Expertinnen von der SPÖ-Führung um einen Input für das Migrationspapier angefragt worden war. "Wir würden das auch sehr gerne für alle anderen Parteien machen", sagt sie zum STANDARD.

FPÖ braucht keine Strategie

Die Migrationswissenschafterin sieht die FPÖ in diesem äußerst schwierigen und komplizierten Problemfeld parteistrategisch in einer komfortablen Situation. Deren Motto sei simpel kommunizierbar: "Niemanden reinlassen – oder abschieben." Das reiche für eine FPÖ-Strategie: "Die Partei braucht im Grunde kein Konzept."

Der kleine nationale Spielraum

Diese Vereinfachung sei natürlich die Grundproblematik, denn das Thema Asyl sei in erster Linie ein Thema, das das EU-Recht und internationale Rechtsnormen wie das Völkerrecht tangieren. "Und hier ist der nationale politische Spielraum eben sehr klein und begrenzt", sagt Kohlenberger.

Das Thema Migration sei deshalb auch national äußerst schwierig zu kommunizieren. "Weil es sehr komplex ist", sagt Kohlenberger, "wir haben heute einfach nicht mehr die Zeit, die Sachlage in aller notwendigen Tiefe zu betrachten. Es muss medial alles schnell gehen, und das ist bei dieser vielschichtigen Problematik eben höchst problematisch." (Walter Müller, 24.6.2024)