Arcadi Volodos: Je sanfter ein Ton, desto bezwingender.
Arcadi Volodos: je sanfter ein Ton, desto bezwingender.
Marco Borggreve, Konzerthaus

Es gibt diese Klassikkonzerte, die kann man auch mit einer Verkühlung getrost besuchen – vor allem, wenn üppige Orchesterromantik angesetzt ist: Das rechte Timing vorausgesetzt, lässt sich in den symphonischen Fluten eines Bruckner so mancher Huster unauffällig versenken. Anders sieht dies bei einem Auftritt von Arcadi Volodos aus. Nicht nur, dass der 52-Jährige in der Regel ohne Orchester allein am Klavier werkt. Volodos' Domäne ist die Finesse: Der Sankt Petersburger kann selbst dem schier zartesten Pianissimo ein noch zarteres folgen lassen. Und je sanfter sein Ton, desto bezwingender.

Im Wiener Konzerthaus zeigt sich diese Betörungskraft gleich anfangs an Schuberts a-Moll-Sonate D 845. Wobei: Eine monotone Flüsterfassung trägt der Russe natürlich nicht vor, er bringt schon die Turbulenzen des Kopfsatzes gebührlich zur Geltung. Diese punktuellen Dezibelspitzen wirken jedoch wie eingefriedet in ein Konzept, das in erster Linie leise Melodiebögen charismatisch modelliert. Highlight: das Ende des Andantes, dessen Thema sich wie in Sternenstaub aufzulösen scheint.

Negativ anzumerken? Eine gewisse Neigung zu Tempoextremen, zu hören in einem windeseiligen Schubert-Finale und danach in so manchem von Schumanns Davidsbündlertänzen. Doch selbst wenn Volodos das wohl schönste Kleinod dieser Kollektion (Zart und singend) gefühltermaßen auf Maximallänge dehnt, reißen die Melodiebögen dank seiner schier endlosen Schattierungskünste nicht ab. Danach? Liszts Ungarische Rhapsodie Nummer 13, die an eines erinnert: Arcadi Volodos ist nicht nur einer der sublimsten, sondern auch virtuosesten seiner Zunft. Jubel. (Christoph Irrgeher, 24.6.2024)