Formel-1-Autos fahren in einer Kurve.
Die Formel 1 macht dieses Wochenende Halt in Österreich. Künftig dürfte es für das Unternehmen stärkere Sorgfaltspflichten geben.
IMAGO/Xavi Urgeles

Im Gastbeitrag erklärt Rechtsprofessor Adolf Peter, wie sich die Lieferkettenrichtlinie auf die Formel 1 auswirken könnte.

Der Beschluss der EU-Lieferkettenrichtlinie (CSDD) sorgte im Frühjahr für heftige Debatten zwischen Umweltschützern, Menschenrechtlern und Wirtschaftsvertretern. Unternehmen sind künftig dazu verpflichtet, entlang ihrer gesamten Lieferkette negative Auswirkungen auf Menschenrechte und Umwelt zu verhindern. Der Anwendungsbereich der Richtlinie ist durchaus breit und erfasst auch Konzerne, von denen man das zunächst nicht erwarten würde: zum Beispiel die Formel 1, die diese Woche im österreichischen Spielberg Halt macht.

Die Formel 1 steht im Eigentum der amerikanischen Liberty Media Corporation. Beruhend auf den Daten der US-Investmentbank Goldman Sachs überschreitet Liberty Media die für die direkte Anwendung der Lieferkettenrichtlinie erforderliche Jahresumsatzschwelle in der EU von 450 Millionen Euro. Da Liberty Media aufgrund der Richtlinie dafür Sorge tragen muss, dass die umfangreichen Sorgfaltspflichten auch von seinen Tochterunternehmen umgesetzt werden, werden somit auch alle Entitäten der Formel-1-Gruppe indirekt erfasst – insoweit sie nicht ohnedies schon aufgrund ihres eigenen Überschreitens der Umsatzschwelle direkt gebunden sind. Die Tatsache, dass die Formel 1 zum größten Teil mittels Entitäten (komplexe Struktur aus Holdings und Tochterunternehmen) mit Sitz in Großbritannien (also außerhalb der EU) operiert, ändert daran nichts.

Indirekt sind zudem auch die Formel-1-Teams an die Lieferkettenrichtlinie gebunden. Die Formel 1 ist zwar weder direkt noch indirekt an einem der zehn Formel-1-Teams beteiligt, allerdings gibt es mit dem Concorde Agreement eine zentrale Vertragsbeziehung zwischen der Formel 1, der FIA und den Formel-1-Teams. Das Concorde Agreement legt unter anderem fest, wie die kommerziellen Einnahmen sowie Preisgelder verteilt werden, enthält regulatorische Bedingungen und verpflichtet die Teams zur Teilnahme an jedem Rennen. Liberty Media muss als direkt von den EU-Regeln gebundenes Unternehmen die Sorgfaltspflichten der Lieferkettenrichtlinie zunächst bei seiner Formel-1-Tochter und dann über direkte und indirekte Vertragskaskaden auch bei den Vertragspartnern der Formel 1 durchsetzen. Die Lieferkette endet allerdings nicht bei den Formel-1-Teams, sondern bezieht alle weiteren Ebenen von Zulieferern (Modul- und Systemzulieferer, Teilelieferanten, Lieferanten von Rohmaterialien) mit ein.

Pflichten beim Klimaschutz

Die Lieferkettenrichtlinie verlangt von Unternehmen unter anderem die Erstellung eines Klimaplans, der die Erreichung der Klimaziele des Pariser Übereinkommens sicherstellen soll. Der Klimaplan hat grundsätzlich auch absolute Reduktionsemissionsziele im Hinblick auf Scope-3-Emissionen zu enthalten. Scope-3 bezieht sich auf Treibhausgasemissionen entlang der gesamten Liefer- bzw. Wertschöpfungskette. Die Ermittlung und Berichterstattung von Scope-3-Emissionen ist in den USA äußerst umstritten. So musste die Börsenaufsichtsbehörde SEC kürzlich die für börsennotierte Unternehmen geplante Scope-3-Berichterstattungspflicht aufgrund starken Drucks von republikanischer Seite zurücknehmen. Die Republikaner drohten damit, bis zum von ihnen dominierten Supreme Court zu gehen.

Die Klimaziele von Liberty Media beziehen sich aktuell nur auf direkte Scope-1 und indirekte Scope-2-Emissionen. Aufgrund der extraterritorialen Wirkung der Lieferkettenrichtlinie wird sich Liberty Media aber auch mit den wesentlich relevanteren Scope-3-Emissionen (diese können je nach Sektor sogar bis zu 90 Prozent und mehr der Gesamtemissionen eines Unternehmens ausmachen) auseinandersetzen müssen. Die Formel 1 selbst hat positiverweise das Ziel, bis 2030 "net zero carbon" zu sein (unter anderem mittels Einsatz von 100 Prozent synthetischem Kraftstoff ab 2026 und dem Kauf von CO2-Zertifikaten zu Kompensationszwecken). Verstöße gegen die Lieferkettenrichtlinie können theoretisch zu hohen Verwaltungsstrafen (bis zu fünf Prozent des weltweiten Umsatzes) sowie zu zivilrechtlichen Klagen (Gerichtsurteile) führen. Vollstreckungsmaßnahmen gegen Liberty Media sollten unproblematisch sein, da das Unternehmen über ausreichendes Vermögen (Unternehmensbeteiligungen) in der EU verfügt. (Adolf Peter, 25.6.2024)