Gitarrist Angus Young bei der Arbeit an einem Klassiker.
APA/TOBIAS STEINMAURER

Das Schnoferl, natürlich. Fast hatte man es vergessen, zu lange nicht gesehen. Das Schnoferl ist so etwas wie sein Markenzeichen, wobei Angus Young es gewissermaßen renitent umgedeutet hat. So, wie er das seinige verzieht, hat es nichts mit Beleidigtsein zu tun, es sagt, leck mich doch am Schulranzen.

Angus Young ist der Blickfang der eigentlich farblosen Band AC/DC. 69 Jahre ist er mittlerweile alt, die Schuluniform hat er immer noch nicht abgelegt. Gut, vielleicht ist er ja 60-mal sitzengeblieben, was weiß man. Die Uniform vom Sonntagabend bestand aus roten, kurzen Hosen, einer roten Kappe, einem weißen Hemd und einer rot-weiß gestreiften Krawatte. Er wäre als durchschnittlicher Österreicher auf jeder EM-Fanmeile durchgegangen, so lange, bis er sich mit dem Lied I am from Australia verraten hätte.

Satans Adventkalender

Aber er spielte am Sonntag ganz andere Lieder im ausverkauften Wiener Ernst-Happel-Stadion. Kleine, giftige Rabiatperlen aus dem Urschlamm des Rock 'n' Roll, am Anschlag geboten, das Schnoferl dazu als eine Art Übersetzung seines Tuns an der Lead-Gitarre: Eine Physiognomie im Ausnahmezustand, hinter sich eine Mauer aus Lautsprechern, die wie Satans Adventkalender aussah. Hinter jedem Türl eine gottlose Strommusikgitarre.

Brian Johnson und Angus Young bei der Aufführung eines AC/DC-Klassikers.
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AC/DC waren in der Stadt. Am Mittwoch spielen sie noch einmal vor 55.000 Menschen im Happel, wieder ausverkauft, logisch. AC/DC sind eine der größten Bands der Welt. Von der Wirkmacht her betrachtet, nicht von der Körpergröße ihrer Protagonisten, da sind sie eher das, was der Münchner Kabarettist Gerhart Polt ein Zwetschken-Mandi nennt. Aber das ist wurscht. Das 1973 gegründete Start-up hat 200 Millionen Platten verkauft, also recht.

Feuer und Glocke

Im Oval vor ihnen blinkt die Farbe Rot in tausenden kleinen Teufelshörnern auf den Köpfen des Publikums. Ein Ritual, das, je dunkler es wird, ein Meer aus roten Glühwürmchen ergibt, denen es fast die Sicherungen raushaut, als Angus Young bei Highway To Hell ebenfalls den Gehörnten gibt. Highway To Hell, Klassiker.

Da lodert plötzlich ein Feuer auf der Bühne, muss sein. Ansonsten kommt die Band ohne Effekthascherei aus. Gut, bei Hells Bells schwebt natürlich die Glocke mit dem AC/DC-Logo über der Bühne, nicht, dass jemand glaubt, er sei bei der Messe im Stephansdom. Hells Bells, Klassiker.

Brian Johnson auf dem Highway zur Hölle.
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Brian Johnson ist der Sänger der Band. Er trägt ein schwarzes T-Shirt vom Diskonter, schwarze Jeans, Turnschuhe und oben auf dem Dach sein Markenzeichen, die Schiebermütze. Er sieht aus, als hätte er im Pub ums Eck eine Wette verloren und müsste da oben jetzt halt ein bisserl singen. Das kann er, und das ist sein zweites Markenzeichen, dieses ins Kastratische ausartende Organ, am Anschlag natürlich, bei dem es ihm die Augen aus den Höhlen drückt, während er wie zart promillisiert tänzelt.

Vitaler Angus

Die Band eröffnet mit If You Want Blood (You've Got It), Klassiker, was sonst. Es folgt Back In Black, bei dem die Videowände in Schwarz-Weiß senden. Demon Fire fährt dann richtig ein, hohes Tempo, knietief im Bluesrock, jetzt schon ein Klassiker, obwohl erst vier Jahre alt.

Sexy wird es bei Thunderstruck, bei dem Young das gamprige Intro spielt, bevor es kracht und die Band wie vom eigenen Donner gerührt den Song nach Hause fährt.

Sitzenbleiben muss kein Schicksal sein: Angus Young.
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Young erweist sich als extrem vital. Bei Shot Down in Flames gibt er erstmals den Duck Walk, den Entengang, den er sich bei Chuck Berry ausgeborgt hat, dessen Rock 'n' Roll AC/DC in den rot glühenden Bereich überführt haben. Schnörkellos, hart wie Gnackwatschen. Seit 50 Jahren versehen sie in diesem Geiste Dienst, haben Mitglieder an den Tod verloren, andere dürfen gerade nicht touren, weil, na ja, irgendwas mit dem Gesetz halt. Australien ist blöderweise ein Rechtsstaat.

Nichts zu beweisen

Beweisen müssen AC/DC schon lange nichts mehr, aber sie tun es trotzdem. Die Show ist keine Show, sie ist zuerst ein Konzert, geile Musik, geil dargeboten. Zugespielte Videos müssen nicht davon ablenken, dass sich auf der Bühne nichts tut, wie sonst so oft. Denn da reißt Angus Young zwei Stunden lang ewige Riffs aus seiner Gitarre, ist ganz er selbst: Angus, the Schnoferl.

Brian Johnson, gerade noch im Pub, jetzt mit AC/DC auf der Bühne.
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Die Uniform wird im Verlauf des Konzerts weniger. Die langen Federn am Dach sind ausgedünnt, nicht sein Spiel. Der Rest der Band? Makellos. Die alten Hasen können, was sie tun, junge Mietknechte wie der Bassist Chris Chaney fallen nur aufgrund eines zeitgemäßen Haarschnitts unangenehm auf, spielen tut er eins a, so kompliziert ist die Musik ja nicht.

Rund 20 Watschen umfasst ein AC/DC-Konzert, alle werden dankbar empfangen, manche sind härter, andere wie das im Boogie-Rock wurzelnde Whole Lotta Rosie leichter zu nehmen. Der Rock 'n' Roll Train donnert durchs Stadion, natürlich spielen sie High Voltage, Songs wie Manifeste: Let There Be Rock! T.N.T.! Oder das finale For Those About To Rock (We Salute You). Sie ahnen es schon: Klassiker. Geil. (Karl Fluch, 24.6.2024)