Wien – Die SPÖ will, dass die Regierung auf EU-Ebene eine Klage gegen Ungarn erwirkt. Anlass ist die restriktive Asylpolitik des Nachbarlands, die nach Ansicht der Sozialdemokraten gegen Unionsrecht verstößt und andere Staaten wie Österreich überproportional fordert. Zur Untermauerung dieser Forderung hat man ein Rechtsgutachten des Völkerrechtlers Ralph Janik in Auftrag gegeben, das sich der Meinung der SPÖ anschließt.

Das Papier, das der APA vorliegt, erkennt mehrere Punkte, in denen die ungarische Praxis europäischem Recht widerspricht. Im Wesentlichen geht es darum, dass Ungarn unter Premier Viktor Orbán Asylanträge nicht annehme und im Rahmen des Dublin-Abkommens nicht kooperiere. Letzteres legt fest, dass jener EU-Staat für das Verfahren zuständig ist, in dem der Asylwerber erstmals registriert wurde.

SPÖ-Parteivorsitzender Andreas Babler fordert von der Bundesregierung eine Klage gegen Ungarn.
APA/ALEX HALADA

In Ungarn wurden im Vorjahr gerade einmal 30 Erstanträge angenommen. In Österreich waren es gut 43.500. Das Gutachten begründet dies etwa damit, dass Asylanträge auf ungarischem Boden mittlerweile "de facto unmöglich" seien. Damit widerspricht Budapest nach Janiks Auffassung EU-Recht. Gleiches gilt für ihn dadurch, dass in Ungarn Flüchtlinge kaum registriert werden, wodurch sie auch nicht – wie im Dublin-Abkommen vorgesehen – in das Land rücküberstellt werden können. Ungarn hat hier eine besondere Position, da es über eine EU-Außengrenze verfügt, also eigentlich viele Erstregistrierungen hier zu erwarten wären.

Janik erkennt mehrere Handlungsoptionen für Österreich. So könnte die Regierung bei der EU ein Vertragsverletzungsverfahren anregen, womit diplomatische Verstimmungen vermieden werden könnten. Es gebe aber auch die (undiplomatische) Variante, dass Österreich selbst ein Vertragsverletzungsverfahren einleitet. Solch ein Vorgehen sei zwar selten, aber schon vorgekommen, etwa die Klage Österreichs gegen Deutschland in Sachen Pkw-Maut. Als dritte Option führt der Völkerrechtler eine Staatenbeschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte an.

SPÖ versucht einen neuen Kurs

"Aufgefrischt" und "mehr Klarheit": SPÖ-Parteivorsitzender Andreas Babler will derzeit mit der aktualisierten Fassung des sogenannten Kaiser-Doskozil-Papiers einen klareren SPÖ-Kurs in Sachen Asyl skizzieren. Geeint steht die Partei aber nicht dahinter. Der burgenländische SPÖ-Chef Hans Peter Doskozil nahm an der Neuausarbeitung nicht teil, Kritik kam auch aus Tirol von Landeshauptmann-Stellvertreter Georg Dornauer (SPÖ). Zudem sehen unter anderem ÖVP und Neos "wenig Neues" und keine Lösungsvorschläge.

Im Ö1-Morgenjournal verteidigte Babler den aus seiner Sicht neuen Kurs der SPÖ. Es sei ein Papier, das eine klare Antwort darauf gibt, wie man die aktuelle Situation verbessern könne, sagte Babler. Forderungen sind unter anderem schnellere Asylverfahren an den EU-Außengrenzen und eine faire Verteilung innerhalb der EU. Damit will die SPÖ einen Rückgang der Asylantragszahlen um 75 Prozent erreichen. (APA, ste, 24.6.2024)