Es gibt viel zu tun. Österreich ist eine gut entwickelte Demokratie. Aber erstens kann man auch in einem guten System immer etwas verbessern. Und zweitens muss sich die Republik auch für autoritäre Bestrebungen wappnen.

Collage aus Justitia, einem Schild mit der Aufschrift Pressefreiheit, einer Person mit verpixeltem Gesicht vor einem Smartphone
In den Bereichen Demokratie und Transparenz wartet eine lange To-do-Liste auf die nächste Regierung.

Wichtig dafür ist Transparenz: Demokratie stirbt im Dunkeln, und je mehr Licht auf den Staat fällt, desto weniger Chancen haben jene, die es nicht gut mit ihm meinen. Aber auch im Tagesgeschäft der Republik helfen Reformen, die Offenheit, Information und einen sauberen Staat garantieren. Welche politischen Gruppen auch immer nach der Nationalratswahl am 29. September an der Macht sein werden: Wenn sie Demokratie und Transparenz wollen, haben sie eine lange To-do-Liste.

Vor welchen Aufgaben steht die nächste Regierung? Das zeigt DER STANDARD jede Woche für einen Themenbereich. Zum Auftakt: Transparenz und Demokratie.

1. Journalismus: Pressefreiheit ausbauen und sichern

Die Pressefreiheit steht nicht umsonst im Verfassungsrang und damit unter besonderem Schutz – unabhängige Medien sind eine zentrale Säule der Demokratie. Und dennoch rutscht Österreich seit Jahren im Ranking der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen kontinuierlich ab und rangiert aktuell zwischen Moldau und Mauretanien.

Die Begründung: Angriffe auf Journalistinnen und Journalisten nehmen zu, der Einfluss der Politik auf Medien ist weiterhin groß, und die Garantie für einen unabhängigen öffentlichen Rundfunk steht an der Kippe. Vor allem dann, wenn die FPÖ erneut an einer Bundesregierung beteiligt sein sollte.

Die Gremienreform, die politische Einflüsse im ORF einschränken soll, ist Türkis-Grün noch immer schuldig und dürfte wohl in dieser Legislaturperiode nicht mehr kommen. Für die zukünftige Regierung müsste diese Reform ein zentrales Anliegen sein, wenn ein unabhängiger Rundfunk bestehen soll.

Für den Erhalt unabhängiger Medien und den Stopp politischer Einflussnahme braucht es laut Expertinnen und Experten auch ein Ende der kriterienlose Vergabe "üppiger" Regierungsinserate an ausgewählte Medien und eine transparentere Vorgehensweise im Rahmen der Presseförderung.

2. Desinformation: Angriffe auf die Demokratie abwehren

KI-generierte Fake-Bilder, organisierte Desinformationskampagnen und Fake News: Es sind neue Gefahren für die Demokratie, die auch zukünftige Bundesregierungen beschäftigen werden. Mit Falschmeldungen wird gezielt versucht, die Legitimität von Wahlen und Politikerinnen und Politikern infrage zu stellen. Eine Bedrohung, die insbesondere im heurigen Wahljahr und darüber hinaus ernst zu nehmen ist.

Die EU-Mitgliedsstaaten wollen einen intensiveren Austausch untereinander, um geeint gegen Falschmeldungen und Propaganda vorzugehen. Österreich sollte ein Interesse daran haben, sich hier zu beteiligen. Internationaler Austausch könnte ein zentraler Schlüssel sein, um etwa gegen gezielte Desinformationskampagnen aus Russland vorzugehen. Zudem ist ein geeintes europäisches Auftreten sinnvoll, wenn strengere Regeln für Social-Media-Plattformen im Umgang mit Fake News gefordert werden.

Auf nationaler Ebene gab es bereits 2022 einen Aktionsplan gegen sogenannte Deepfakes. Ein derartiger Aktionsplan könnte von einer künftigen Bundesregierung auch auf weitere Inhalte, wie etwa Fake News, ausgeweitet werden. An den Schulen könnte zudem vermehrt der Umgang mit Online-Inhalten auf dem Lehrplan stehen.

3. Gemeindepolitik: Umwidmungsgewinne regulieren

Ausgerechnet der Gemeindebund-Präsident hat mit Umwidmungsgeschäften in seiner eigenen Kommune einen Batzen Geld verdient. Die Geschichte des Grafenwörther Bürgermeisters Alfred Riedl (ÖVP) warf ein Schlaglicht auf intransparente Vorgänge in Österreichs Gemeinden – Riedl musste später als Präsident des Gemeindebunds zurücktreten. In den vergangenen Monaten sind zahlreiche zumindest fragwürdige Deals in österreichischen Kommunen aufgepoppt. Sie zeigten die Notwendigkeit von Reformen auf.

ein acker
Der Wert eines einfachen Ackers kann durch eine Umwidmung im Gemeinderat über Nacht vervielfacht werden.
© Christian Fischer

Da geht es einerseits um den Vorgang der Umwidmung an sich: Grundstücke sind mit einem Gemeinderatsbeschluss schlagartig ein Vielfaches Wert. Wenn der Bürgermeister bei der Abstimmung nicht im Saal ist, gibt es keine Unvereinbarkeit – auch wenn seine eigene Partei die Umwidmung befürwortet.

Nicht in allen Gemeinden gibt es eine kontrollierfreudige und -fähige Opposition. Auch die Aufsicht in den Landesregierungen schaut oft nicht so genau hin, wie sie sollte. Darin liegt auch der Haken, was weitreichende Verbesserungen in der Kommunalpolitik betrifft: Die Regeln für die Kommunen sind Ländersache. Reformen müssen also in den neun Landtagen beschlossen werden.

4. Informationsfreiheit: Neue Regeln umsetzen

Zu Beginn des Jahres feierte die türkis-grüne Koalition das Ende eines jahrelangen Tauziehens: Volkspartei und Grüne beschlossen das Ende des Amtsgeheimnisses und die Einführung eines Grundrechts auf Information. Damit sollen Informationen bei öffentlichen Stellen nicht mehr in Schubladen verschwinden, sondern der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, wenn nicht Geheimhaltungsgründe wichtiger sind.

Damit sich die Verwaltung auf diesen "Paradigmenwechsel" einstellen kann, treten die neuen Regeln erst im September 2025 in Kraft. Bis dahin haben Gemeindeämter, Bezirkshauptmannschaften, Landesregierungen, öffentliche Unternehmen und Ministerien Zeit, sich vorzubereiten. Dabei soll sie die Datenschutzbehörde mit Schulungen und Informationsmaterial unterstützen.

Gut möglich aber auch, dass beim Informationsfreiheitsgesetz noch nachgeschärft werden muss. Einerseits werden höchstgerichtliche Urteile die Anwendung des neuen Rechts präzisieren müssen. Andererseits kann der künftige Gesetzgeber etwa auch auf die Idee kommen, dass die von der ÖVP verhinderte Beratungsstelle für Anfragensteller und Auskunftsgebende doch notwendig ist.

5. Justiz: Mehr Ressourcen verhindern Korruption

Bestechlichkeit, Untreue, Amtsmissbrauch: Das meiste, was die Allgemeinheit "korrupt" nennt, ist bereits verboten. Doch die besten Gesetze helfen nicht, wenn Übeltäterinnen und Übeltäter nicht in fairen Verfahren verurteilt werden.

Blick auf den Wiener Justizpalast von innen
Nur eine gut ausgestattete Justiz kann Korruption wirksam verfolgen.
imago/viennaslide

Dafür muss die Justiz ausreichend Zeit, Personal und Geld haben. Die Richtervereinigung beklagte jüngst: Bei Reformen der letzten Jahre sei stets unterschätzt worden, wie viel Arbeit sie für die Gerichte bedeuten. Auch die zuletzt paktierten Änderungen bei der Sicherstellung von Handys bedeuten mehr Aufwand für die Justiz, weil die Datenanalyse richterlich genehmigt werden muss. Die Richtervereinigung fordert auch deshalb 100 neue Planstellen an Österreichs Gerichten.

Die Staatsanwaltschaften sind ebenso mit einer Aktenflut konfrontiert – auch dank der politischen Affären der vergangenen Jahre. Dass sich die Ermittlungen in diesen Causen oft jahrelang ziehen, ist auch das Ergebnis dünn besetzter Teams in den Büros der Anklägerinnen und Ankläger.

Das türkis-grüne Projekt einer unabhängigen Weisungsspitze für die Staatsanwaltschaften ist übrigens gescheitert – und könnte von der nächsten Regierung wieder verfolgt werden. (Sebastian Fellner, Max Stepan, 24.6.2024)