Was passiert, wenn Gesellschaftsschichten auseinandertreiben, die Ungleichheit zunimmt? Die Gesellschaft spaltet sich. Die Unsicherheit steigt. Es werden unterkomplexe Lösungen für komplexe Angelegenheiten gesucht und gefunden.

Diese Entwicklung an sich ist schon dramatisch, noch akuter wird sie vor anstehenden Wahlen. Wer das Gefühl vermittelt bekommt, wertlos und abgehängt zu sein, hat mehrere Möglichkeiten: sich wehren. Sich und vielleicht sogar anderen ein besseres Leben ermöglichen. Apathisch werden und aufgeben. Oder aber einen Sündenbock begehren, der an dieser Misere schuldig gesprochen werden kann.

FPÖ-Bundesparteichef Herbert Kickl hält eine Rede im Rahmen des Landesparteitages der FPÖ Niederösterreich Mitte Juni in Tulln.
FPÖ-Bundesparteichef Herbert Kickl im Rahmen des Landesparteitages der FPÖ Niederösterreich Mitte Juni in Tulln.
APA / Alex Halada

Schuld ohne Beweis

Das Praktische an einem Sündenbock ist, dass man weder beweisen muss, dass er tatsächlich schuldig ist – noch selbst etwas ändern muss. Das Angebot eines Sündenbocks reicht als Programm völlig aus. Dass sich an den Lebensumständen mit und ohne diesen Bock der Sünde nichts ändern wird, ist sekundär.

Das ist das blaue Programm. Es hat Erfolg. Die Erniedrigung der anderen soll für die Erhöhung des Selbst sorgen. Hier handelt es sich um Politkleingeld, das gleichzeitig Falschgeld ist.

Besseres Leben für Funktionäre

Niemand wird ein besseres Leben davon haben. Außer blauen Funktionären. Alle Parteien sind hier gefragt, einen Gegenpol zu bilden. Mit Lösungen. Mit Kommunikation. Mit Rückgrat. Und es hilft dabei nicht gerade, dass die ÖVP noch immer lustvoll zu den Blauen schielt. (Julya Rabinowich, 23.6.2024)