Falstaff Wiener Staatsoper Luca Salsi
Achtung, dieser Ritter von der bauchigen Gestalt geht mit der Wahrheit situationselastisch um: Luca Salsi als Falstaff in der Wiener Staatsoper.
Wiener Staatsoper/Pöhn

Alle Opernfans lieben Falstaff. Und das, obwohl der Ritter von der wamperten Gestalt im Umgang mit Wahrheit und Weiblichkeit so situationselastisch agiert wie Donald Trump. Dem Schuldenstand der beiden alten weißen Männer steht ein Reichtum an Problemen in der aktuellen Lebenssituation gegenüber. Wer ist von sich selbst berauschter, Donald oder Sir John?

In der aktuellen Falstaff-Serie gibt Luca Salsi die Titelpartie erstmals an der Staatsoper – und hat sofort die Herzen des Publikums auf seiner Seite. Der Italiener sinniert, spottet, schmachtet, lügt und zürnt sich am dschungelschwülen Freitagabend souverän durch sein von Shakespeare ersonnenes Schicksal; er haushaltet mit seinen Kräften und entwickelt seinen Bariton erst gegen Ende zu seiner vollen Potenz.

Etwas wackeliger ist das Staatsopernorchester zugange. Den Geigen passieren etliche Unsauberkeiten, die diffizilen Ensembles der Konversationsoper wirken noch etwas fragil, und der Maestro Suggeritore zischt oft überlaut aus dem Souffleurkasten. Dem filigranen Räderwerk von Verdis Opernletztling fehlt unter der energischen Führung von Thomas Guggeis noch das Öl der Routine. Auch die Besetzung ist etwas unrund geraten: Liebhaber von überreifen, prägnanten Sopranstimmen kommen bei Roberta Mantegnas Sopran (als Alice Ford) ins Schwärmen; blass die Meg Page von Isabel Signoret.

Mit ihrem viril-knorrigen Mezzo macht Monika Bohinec aus Mrs. Quickly fast einen Mr. Quickly. Für die Partie der Nannetta ist Slávka Zámečníkovás Sopran einen Tick zu fest und unflauschig; Hiroshi Amakos Fenton könnte noch an Präsenz gewinnen. Als Eifersüchtiger ein Ereignis: Boris Pinkhasovich (als Ford). Und die zwanzig Jahre alte Inszenierung von Marco Arturo Marelli präsentiert sich so buntstiftbunt und bezaubernd wie immer. Viel Jubel und noch mehr Touristen. (Stefan Ender, 23.6.2024)