Rohtko / Festwochen c: Arturs Pavlovs
Arturs Pavlovs

Ist ein Bild an der Wand nicht mehr schön, wenn es sich als unecht entpuppt? Liegt der Wert von Kunst in ihrem bezifferbaren Preis? Kann gute Kunst billig sein? Knifflige Fragen aus dem Kunstmarkt beschäftigen die Inszenierung Rohtko des polnischen Regisseurs Łukasz Twarkowski für das lettische Dailes-Theater. Sie feierte vor zwei Jahren in Riga Uraufführung und ist noch bis Sonntag bei den Wiener Festwochen in der Halle E zu sehen.

Großflächig wie die Arbeiten des lettisch-amerikanischen Malers Mark Rothko (1903–1970) ist auch diese Bühnenarbeit, bei der in Frank-Castorf-Manier die Intimität aus kleinen Räumen über Livekamerabilder groß auf Leinwand sichtbar wird. Zwei Dutzend Technikerinnen und Techniker arrangieren mehrere Containerräume jeweils neu (Bühne: Fabien Lédé). Es sind Räume eines chinesischen Restaurants, genauer: das in New York einst für seine Gäste wie Andy Warhol oder Jackson Pollock bekannte Lokal von Mr. Chow.

DAILES TEĀTRIS

Die falsche Schreibweise im Titel Rohtko ist natürlich Absicht, erzählt der knapp vierstündige Abend (Text: Anka Herbut) doch vom historischen Skandal um ein gefälschtes Gemälde, das ein Kunstsammlerpaar um 8,5 Millionen Dollar von einer renommierten New Yorker Galerie erstanden, jahrelang an der Wohnzimmerwand bewundert hat, dann aber feststellen musste, dass es nicht von Mark Rothko stammt, sondern von einem Mathematiklehrer aus Schanghai. Über das in China vorherrschende lockere Verhältnis zwischen Original und Fälschung (siehe Hallstatt-Rekonstruktion) gibt Regisseur Twarkowski im Programmheft Einblick.

Die Kamera zieht zu eindringlicher Musik (Lubomir Grzelak) über dunkelrote Restauranthöhlen, in denen wichtigtuerische Typen aus der Kunstszene ihren Tofu essen und ihren Whiskey kippen, sie zieht elegisch über blubbernde Aquarien mit Schlingpflanzen, über Lampionketten, Winkekatzen und chinesische Tischdeko (Minivasen und Saucenfläschchen). New York, wie wir es uns vorstellen: arbeitslose Schauspieler und Kellnerinnen, die auch Künstlerinnen sind, eine mächtige Galeristin sowie Journalisten, die den Skandal recherchieren. Jede Menge E-Zigaretten nicht zu vergessen. Dröhnend laut fährt die Musik mit schmerzlichen Stichen in diese geheimnisvolle Insiderwelt.

Leerläufe

"Es ist hart, etwas Wertloses zu betrachten", sagt der gefoppte Kunstsammler nach der Pause, deprimiert in der Restaurantecke sitzend. Sätze wie diese lässt Regisseur Twarkowski lange nachhallen. Immer mehr entwickelt sich der zäh voranschreitende, Leerläufe auskostende Abend zu einer Meditation über die Definition und die Aushöhlung von Kunst. Das erzeugt auch Durchhänger. Bis am Ende auch noch die inzwischen wieder eingebrochene Kunstkaufpraxis über NFTs Thema wird.

Der aufgedonnerte Abend hat nicht ganz so viel zu erzählen, wie er vorgibt. Close-ups, die am Splitscreen bis nach hinten in die Halle E reichen, ziehen sich ohne erkennbaren Mehrwert in die Länge. Rohtko spielt sich – entlang ineinandergeschnittener Dialoge oder der Synchronizität von Bildern – vorwiegend mit der eigenen multimedialen Erzählweise. (Margarete Affenzeller, 22.6.2024)