Viktor Orbán und Ursula von der Leyen
Viktor Orbán und Ursula von der Leyen sind sich nicht ganz grün, müssen aber höflich bleiben.
AP/Geert Vanden Wijngaert

Viktor Orbán hat einfach Pech. Für die sechs Monate im EU-Vorsitz hatte sich der ungarische Premierminister viel vorgenommen. Es sollte eine Art "Kontrollpräsidentschaft" hinsichtlich der EU-Institutionen und deren Pläne für Europa werden, berichten Diplomaten über das, was Budapest sich vorstelle. Es sei eine "Koalition für Krieg und Migration" zu befürchten, sollte Ursula von der Leyen im Juli im EU-Parlament in Straßburg in eine zweite Amtszeit gewählt werden, tönte Orbán vergangene Woche.

Das will er verhindern. Das Problem dabei: Ausgerechnet in "seiner" EU-Präsidentschaft, die in eine Übergangsperiode nach der EU-Wahl vom 9. Juni fällt, kann er real wenig bewirken. Wenige Tage vor dem Start zeigt sich das Dienstag konkret beim EU-Ministerrat in Luxemburg, ausgerechnet beim Thema Ukraine. Dort werden unter Anwesenheit des ukrainischen Premiers Denys Schmyhal die EU-Beitrittsverhandlungen offiziell und formell eröffnet. Das war ein großes Ziel von der Leyens und vieler EU-Staaten.

Der ungarische Premier kann nur zuschauen. Er tat seit Kriegsbeginn im Februar 2022 fast alles, um die EU-Hilfen für das Land im Krieg gegen Russland und die Sanktionen gegen Moskau zu torpedieren, egal ob es um Waffenlieferungen oder Finanzhilfen ging. Da und dort legte er Vetos ein, um dann doch dem Druck der EU-Partner nachzugeben. Noch im Dezember wollte er Beitrittsverhandlungen der Ukraine verhindern. Das gelang ihm ebenso wenig wie ein Stoppen eines 50 Milliarden Euro schweren Hilfspakets für das Land.

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Personalpaket stiehlt Orbán die Show

Nun ist der Ukraine-Zug vorläufig auf Schiene. So wie auch das im Frühjahr in Straßburg beschlossene EU-Migrationspaket, das in den nächsten Jahren umgesetzt werden soll. Aber was bleibt bis Jahresende für Orbán? Womit kann er Aufsehen erregen?

"In den nächsten Monaten ist auf Ratsebene am wenigsten Arbeit", umschreibt ein Diplomat, was auf die ungarische Regierung wartet, "es beginnt erst wieder Ende des Jahres." Bis dahin sind vor allem der Europäische Rat der Staats- und Regierungschefs, in dem Orbán nur "einfaches Mitglied" ist, und das EU-Parlament gefragt. Beim EU-Gipfel diese Woche soll das große Personalpaket verabschiedet werden: Von der Leyen (EVP), Orbáns Lieblingsfeindin, dürfte als Kommissionschefin bestätigt werden. Der Portugiese António Costa (SP) soll Ständiger Ratspräsident werden, die liberale Kaja Kallas aus Estland neue EU-Außenbeauftragte.

Mitte Juli konstituiert sich das EU-Parlament neu. Alle Ausschüsse und das Präsidium werden neu besetzt, Arbeitsprogramme erarbeitet. Im August nominieren die Regierungen der Mitgliedsländer ihre Kandidaten und Kandidatinnen für die Spitzenposten in der Kommission. Sie müssen sich im Oktober Anhörungen im EP stellen. Am 1. Dezember soll die neue EU-Kommission startklar sein.

Der ungarische Ratsvorsitz hat dabei im Grunde nichts mitzureden. Da währenddessen der normale Gesetzgebungsprozess auf Eis liegt, kann die Regierung in Budapest auf EU-Ebene wenig bewirken. Umso mehr, dabei sind sich Diplomaten sicher, wird Orbán zu Hause eine große EU-Show abziehen – ohne Folgen. (Thomas Mayer aus Brüssel, 25.6.2024)