Demonstrantinnen und Demonstranten, darüber ein Transparent mit der Aufschrift
"Ein freies RTVS, keine alten Tricks": Immer wieder haben in den vergangenen Monaten Menschen gegen die geplante Auflösung des öffentlich-rechtlichen Senders demonstriert – ohne Erfolg.
EPA/JAKUB GAVLAK

Ab 1. Juli ist der Slowakische Rundfunk (RTVS) in seiner jetzigen Form Geschichte. Nachdem das Parlament in Bratislava am Donnerstagabend die formelle Auflösung des öffentlich-rechtlichen Hörfunk- und Fernsehsenders beschlossen hat, könnte nur noch Präsident Peter Pellegrini das Vorhaben stoppen. Pellegrini steht aber der Regierung des linkspopulistischen Premiers Robert Fico nahe. Ein Veto des Staatsoberhaupts, das von den Abgeordneten der Regierungskoalition ohnehin wieder überstimmt werden könnte, erwartet daher kaum jemand.

Dass RTVS aufhören wird zu existieren, bedeutet freilich nicht, dass aus dem Funkhaus in Bratislava ab Juli nicht mehr gesendet werden soll. Bei der "Auflösung" handelt es sich vielmehr um ein rechtliches Schlupfloch, das es der Regierung ermöglicht, die bisherige unliebsame RTVS-Führung loszuwerden. Dessen Generaldirektor Ľuboš Machaj nämlich wäre noch bis 2027 im Amt gewesen. Da der Sender aber mit Ende Juni offiziell den Betrieb einstellt, kann die Regierung – auf Basis der unmittelbar danach in Kraft tretenden Regeln – zügig eine neue Leitung bestimmen.

Direkter Zugriff auf Inhalte befürchtet

Die Umbenennung von RTVS auf STVR ist da nur der symbolische Ausdruck tiefgreifender Änderungen: "Slowakisches Fernsehen und Radio" statt wie bisher "Radio und Fernsehen der Slowakei" – daran hätte sich wohl niemand gestoßen. Doch das, was konkret geplant ist, lässt bei der Opposition und Teilen der Belegschaft die Alarmglocken schrillen. So soll etwa der Rat, der künftig den Generaldirektor oder die Generaldirektorin wählen soll, rein politisch besetzt werden. Das Gremium wird aus lediglich neun Mitgliedern bestehen, von denen fünf das Parlament bestimmt. Die übrigen vier werden direkt vom Kultur- und dem Finanzministerium bestimmt.

Kritiker sehen darin einen klaren Versuch, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk voll auf Regierungslinie zu bringen. Dabei wurden, entgegen einem früheren Regierungsentwurf, einige Ecken und Kanten inzwischen sogar abgeschliffen – zum Teil, weil die Kritik im Raum stand, das Vorhaben sei EU-rechtswidrig. So war ursprünglich etwa geplant, dass der Generaldirektor ohne Angaben von Gründen wieder abberufen werden kann. Auch die Einführung eines "Programmrats", der von der bisherigen Leitung des Senders als "Zensurbehörde" bezeichnet worden war, wurde wieder gestrichen.

Weiterhin geplant ist ein "Ethikrat", der von Teilen der Belegschaft aber ebenfalls kritisch beäugt wird. Allzu groß ist die Sorge, dass die Regierung über die von ihr installierten Leute künftig direkt auf die Gestaltung der Inhalte, insbesondere der Nachrichtensendungen, durchgreifen wird. Auch Zora Jaurová, eine Abgeordnete der linksliberalen Oppositionspartei Progressive Slowakei (PS), glaubt nach wie vor, dass das Gesetz mit dem EU-Recht nicht vereinbar ist. Sobald Präsident Pellegrini es unterschreibt, will die PS es beim Verfassungsgericht anfechten.

Große Eile im Parlament

Gegen das Vorhaben der Regierung hatte es in den vergangenen Monaten immer wieder Großdemonstrationen gegeben. Eine geplante Kundgebung unmittelbar nach dem Schussattentat auf Robert Fico am 15. Mai, bei dem der Premier schwer verletzt worden war, wurde jedoch abgesagt. Kritisiert wurde, dass der Legislativprozess nun im beschleunigten Verfahren durchgeführt wurde. Nachdem die Opposition zuvor die Beschlussfassung im Parlament immer wieder hinausgezögert hatte, wurde die Gesamtredezeit in der Parlamentsdebatte beschränkt. Am Ende durften von den Abgeordneten, die sich zu Wort gemeldet hatten, gar nicht alle ans Rednerpult. Teile der Belegschaft von RTVS demonstrierten auch am Donnerstag vor dem Parlament in Bratislava, während drinnen bereits die Abstimmung lief.

Für Aufsehen sorgt in der Slowakei derzeit auch ein Konflikt innerhalb des privaten Fernsehsenders Markíza. Mitglieder der Redaktion protestieren gegen die Führung des Senders, die den beliebten Moderator einer quotenstarken Diskussionssendung abgezogen hat. Sie werfen der Direktion vor, dass auch das auf Druck der Regierung geschah. Anders als beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen hat die Regierung zwar keinen direkten Einfluss auf die Entscheidungen im Sender, kann jedoch wirtschaftlich Druck machen. Die Eigentümergesellschaft, eine Investmentgruppe mit Sitz im tschechischen Prag, hat in der Slowakei auch noch andere Geschäftsinteressen und dürfte daher an guten Beziehungen mit der Regierung interessiert sein, vermuten Kritiker. (Gerald Schubert, 21.6.2024)