Wien – Das Innenministerium solle die gestoppten Einreisen von Angehörigen anerkannter Flüchtlinge wieder aufnehmen, forderten Flüchtlingshelfer bei einer Pressekonferenz von Amnesty International und anderen Asyl- und Menschenrechtsgruppen am Donnerstag, dem Weltflüchtlingstag.

DNA-Test mit einem Wattestäbchen
Mundabstrich für einen DNA-Test, mit dem die Eltern-Kind-Verwandtschaft festgestellt werden kann.
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"Wenn es im Einzelfall Fälschungsvorwürfe gibt, müssen die Behörden dem natürlich nachgehen", sagte Lukas Gahleitner von der Asylkoordination. Dass ein solcher Verdacht jedoch in allen Fällen bestehen soll, in denen das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) bereits eine positive Erledigungsprognose erstellt hatte, erscheine überschießend.

Konkret wurden die Neuüberprüfungen in weltweit 13 österreichischen Botschaften vor rund drei Wochen verkündet. Betroffen sind laut dem Innenministerium an die 1000 Menschen. Hotspots sind die diplomatischen Vertretungen im Libanon und Jordanien, die für syrische Angehörige geografisch am nächsten liegen.

85 Prozent der Betroffenen sind Syrer

Tatsächlich stellen Syrerinnen und Syrer den mit Abstand höchsten Anteil der neu zu beurteilenden Fälle, konkret 85 Prozent, gefolgt von Afghaninnen und Afghanen mit rund zehn Prozent. Ein Drittel sind Frauen, zwei Drittel Kinder, die meisten im Volksschulalter; Männer sind die Ausnahme.

Auch unter den in Österreich befindlichen Anknüpfungspersonen für den Familiennachzug gebe es viele Minderjährige, sagt Gahleitner: Rund zehn Prozent seien Fluchtwaisen, die nun länger auf ihre Eltern und Geschwister warten müssen.

Neu überprüft werden soll nun vor allem der Verwandtschaftsgrad der Nachziehenden. Die Rede ist von flächendeckenden DNA-Tests. Laut Gahleitner sind jedoch inzwischen bereits drei Fälle bekannt, in denen ein solcher Test im Laufe des Verfahrens davor schon einmal durchgeführt wurde.

Rückerstattung der Ticketkosten gefordert

Zudem wisse man inzwischen von rund 15 Familien, die im Vertrauen auf die positive Familiennachzugsprognose bereits Flugtickets nach Wien gebucht hatten und nun auf den Kosten sitzengeblieben sind. "Diese Ausgaben wurden im Vertrauen auf die positive Behördenmitteilung getätigt und müssen daher zurückerstatten werden", fordert Gahleitner.

In einzelnen Fällen wiederum, in denen positiv prognostizierte Frauen und Kinder bereits aus Syrien nach Jordanien gefahren waren, um an der dortigen österreichischen Botschaft ihr Einreisevisum nach Österreich zu beantragen, musste dem Vernehmen nach interveniert werden, um deren Rückreise nach Syrien zu ermöglichen: Ihr Jordanienvisum war bereits ausgelaufen, sodass ihnen dort eine Limbussituation drohte.

Neue Anträge werden weiterhin entgegengenommen

Große Aufregung verursachte der Nachzugstopp, von dem nur Personen mit bereits ausgestellten Visa für Österreich ausgenommen sind, in den syrischen und afghanischen Communitys in Österreich. Auf Facebook und in anderen sozialen Medien entfalteten sich heftige Diskussionen. Die Vermutung ging um, dass der Familiennachzug nach Österreich im Ganzen gecancelt worden sei.

Das ist nicht der Fall. Neue Anträge werden dem Vernehmen nach an den österreichischen Botschaften weiterhin entgegengenommen. Visumantragstermine in positiv prognostizierten Familiennachzugsfällen wiederum würden wieder nach Abschluss der angeordneten Überprüfungen durch das BFA vergeben werden, heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme aus dem Außenministerium.

"Korruptionsverdacht" bei syrischen Behörden

Aus dem Innenministerium hieß es am Freitag auf Befragen des STANDARD, der verstärkte Einsatz von DNA-Tests sei nötig, "um echte, jedoch unrichtige Dokument erkennen zu können (im Zusammenhang mit Korruptionsverdacht bei lokalen syrischen Behörden". Es müsse sichergestellt sein, "dass niemand nach Österreich kommt, der gefälschte Dokumente verwendet".

Fälle, in denen "das notwendige Verwandtschaftsverhältnis bereits zweifellos durch einen positiven DNA-Test nachgewiesen worden ist" würden an die Vertretungsbehörden – also die Botschaften – übermittelt. (Irene Brickner, 21.6.2024)