Exakt 100 Tage vor der Nationalratswahl am 29. September gehen die beiden parlamentarischen Untersuchungsausschüsse zur Covid-19-Finanzierungsagentur (Cofag) und zum "rot-blauen Machtmissbrauch" langsam ins Finale. Am Freitag hat mit der ÖVP auch die letzte Partei ihre Endberichte vorgelegt. In zehn Tagen werden die Fraktionen dann noch zu einer letzten Sitzung zusammenkommen, um ihre Berichte ans Plenum weiterzuleiten. Die Bilanzen der fünf Parlamentsparteien fallen jedenfalls äußerst unterschiedlich aus. Ein Überblick.

Im für U-Ausschüsse errichteten Lokal 1 im Parlament war in den vergangenen Wochen und Monaten einiges los.
Heribert Corn

ÖVP

Die ÖVP richtete bei der Präsentation ihrer Endberichte den Fokus wenig überraschend auf jenen von ihr initiierten U-Ausschuss zum "rot-blauen Machtmissbrauch". Dieser habe aus Sicht von ÖVP-Fraktionsführer Andreas Hanger das "System Kickl demaskiert" und den "eindeutigen blauen Machtmissbrauch" bewiesen. Beispielhaft führte Hanger die blaue Medien-, Inserate- und Personalpolitik in Regierungsverantwortung, den blauen Finanzskandal in der Steiermark, den der ÖVP-Fraktionsführer als "den größten Parteifinanzskandal der Zweiten Republik" bezeichnete, und die Russland-Verbindungen der FPÖ an. Dass die Volkspartei sich letztlich entgegen dem Einsetzungsverlangen voll und ganz auf die FPÖ eingeschossen und die SPÖ dabei außer Acht gelassen hatte, begründete Hanger damit, dass zu wenig Zeit gewesen sei, um auch "roten Machtmissbrauch" unter die Lupe zu nehmen.

Deutlich weniger Raum widmete der ÖVP-Fraktionsführer dem von SPÖ und FPÖ einberufenen U-Ausschuss zur Covid-19-Finanzierungsagentur (Cofag). Konkret wurde untersucht, ob der ÖVP nahestehende Unternehmer bei der Auszahlung von Hilfsgeldern, aber auch in Steuerangelegenheiten bevorzugt wurden. Im Kern geht es um die Frage, ob hierzulande eine Art "Zweiklassenverwaltung" existiert, in der etwa Milliardäre mit den richtigen politischen Verbindungen besser behandelt werden. Hanger betonte, dass die Cofag ein "wichtiges Instrument" gewesen sei, um Österreich gut durch die Krise zu manövrieren. Und er beteuerte, dass es dabei zu keinerlei Bevorzugung gekommen sei, sondern die Auszahlungen "ausschließlich auf Basis von Richtlinien" erfolgt seien. Hanger gestand aber auch zu, dass man im Nachhinein immer über einzelne Instrumente diskutieren könne und darüber, ob es in einzelnen Bereichen zur Überförderung gekommen sei.

SPÖ

Gänzlich anders sieht hingegen SPÖ-Fraktionsführer Jan Krainer die Cofag-Sache – hier seien nämlich längst noch nicht alle Fragen geklärt. "Bis jetzt haben wir uns nur die Spitze des Eisbergs angesehen, nämlich wie die Superreichen von der Cofag bevorzugt und gefördert wurden", sagte Krainer. Wegen des kurzen Zeitfensters, das für Befragungen zur Verfügung stand, habe man den Untersuchungsgegenstand "sehr eng gewählt" und sich "nur die Milliardäre angesehen". Laut Krainer habe sich gezeigt, dass die ÖVP grundsätzlich eine "Zwei-Klassen-Verwaltung" etabliert habe, um Milliardäre "systematisch" besser zu behandeln. Die ÖVP habe Milliardäre nicht nur strukturell bevorzugt, sondern diesen auch individuell geholfen, Steuern zu sparen, meinte Krainer. In dem roten Bericht ist daher eine Reihe von Vorschlägen angeführt, wie die Finanzverwaltung aus Sicht der SPÖ verbessert werden könne, vor allem im Hinblick auf das Insolvenz- und Steuerrecht.

In dem von der ÖVP initiierten U-Ausschuss zum "rot-blauen Machtmissbrauch" ortete die rote Fraktionsführerin Eva-Maria Holzleitner wiederum ein "Ablenkungsmanöver". Ziel sei lediglich gewesen, die Befragungstage für den Cofag-U-Ausschuss "möglichst zu reduzieren". Dennoch stellte Holzleitner nicht in Abrede, dass der U-Ausschuss einige interessante Erkenntnisse zutage gefördert habe. Darunter etwa das Eingeständnis der einstigen Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ), dass die im Zuge der Kassenfusion propagierte Patientenmilliarde ein "Marketing-Gag" gewesen sei. Im Hinblick auf die Werbeagentur Ideenschmiede und die Involvierung des FPÖ-Chefs Herbert Kickl sind für Holzleitner aber noch viele Fragen offen. Enttäuscht zeigte sie sich, dass Kickl seine Befragung nicht dafür genutzt hatte, hier Licht ins Dunkel zu bringen. Und sie erinnerte daran, dass es "ihm aber immer noch freisteht, die Verträge offenzulegen".

FPÖ

FPÖ-Fraktionsführer Christian Hafenecker sieht es nach dem Cofag-U-Ausschuss als erwiesen an, dass die ÖVP mit der während der Corona-Pandemie gegründeten Finanzierungsagentur bewusst Milliardäre und deren Firmengeflechte – etwa Signa-Gründer René Benko – unterstützt habe. Zudem sei Firmen, die ohnehin genug Gewinn gemacht hätten, durch finanzielle Hilfen das "Schlagobers auf das Ergebnis hinauf gegeben" worden. Ohnehin defizitäre Unternehmen sei wiederum das Überleben gesichert worden. Auch die Entstehung der Cofag sieht Hafenecker weiter mehr als kritisch – durch die Gründung einer GmbH wurde die Finanzierungsagentur bekanntlich der parlamentarischen Kontrolle entzogen. Für Hafenecker steht jedenfalls fest: "Handwerklich, wirtschaftlich hat die Cofag vollkommen versagt." An ihrer Forderung nach einem Corona-U-Ausschuss hält die FPÖ nicht zuletzt deshalb weiter fest.

Im von der ÖVP ins Leben gerufenen U-Ausschuss zum "rot-blauen Machtmissbrauch" ortet Hafenecker wiederum einen Schuss ins eigene Knie. Durch die Erkenntnisse sieht dieser nämlich vielmehr einen Machtmissbrauch durch die Volkspartei als bewiesen. Schon die Einsetzung des U-Ausschusses sei ein solcher gewesen, sind diese doch in aller Regel ein Kontrollinstrument der Opposition und nicht eines der Regierung oder einer regierenden Partei. Auch in der Spionageaffäre rund um den mutmaßlichen Russen-Spion Egisto Ott – die ÖVP nahm diese bekanntlich zum Anlass, die Russland-Verbindungen der FPÖ generell und die blauen Kontakte zu Ott speziell ins Visier zu nehmen – sieht Hafenecker keine Verantwortung der FPÖ. Laut ihm führe auch hier der Faden einzig und allein zur ÖVP.

Grüne

Die Grünen präsentierten bislang lediglich den Fraktionsbericht zum Cofag-U-Ausschuss – und haben sich in diesem Zusammenhang auf die Signa-Pleite und das "Milliarden-Monopoly" des gescheiterten Unternehmers René Benko eingeschossen. In ihrem Bericht geht es um die Lehren aus der "größten Firmenpleite der Zweiten Republik". Man habe laut Fraktionsführerin Nina Tomaselli beantworten wollen, wie diese Pleite passieren konnte, aber auch, was seitens Politik und Verwaltung in Zukunft besser gemacht werden könne.

An konkreten Verbesserungsvorschlägen führten die Grünen unter anderem Maßnahmen gegen Vermögensabflüsse ins "Stiftungsparadies", ein Ende von Bilanz-Versteckspielen und eine ausreichende Ausstattung der Finanzverwaltung an. Außerdem sieht Tomaselli den Koalitionspartner ÖVP gefordert. Finanzminister Magnus Brunner müsse etwa beantworten, wie hoch der Schaden für die Republik tatsächlich sei, wie hoch die "Steuerzeche" von Benkos Signa und was getan werde, um die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler schadlos zu halten. "Die ÖVP tut sich halt leider weiterhin schwer, denjenigen, die sich über die Regeln aller stellen, auf die Zehen zu steigen", kritisierte die Grüne das Zögern des Koalitionspartners bei gesetzlichen Konsequenzen.

Neos

Auch die Neos lassen in ihrem Bericht kein gutes Haar an der Cofag. Diese sei von der türkis-grünen Regierung bewusst als intransparente Blackbox konstruiert worden. Das Konstrukt habe zudem dazu geführt, dass es teils zu massiver Überförderung von Unternehmen gekommen sei. Der U-Ausschuss habe außerdem Einfluss der ÖVP in der Finanzverwaltung offengelegt – namentlich nannte Fraktionsführer Yannick Shetty hier den einstigen Generalsekretär im Finanzministerium, Thomas Schmid, und seinen damaligen Vize Eduard Müller, die als "Zwillinge" wie eine Eingreiftruppe für Interventionen agiert haben sollen.

Der U-Ausschuss zum "rot-blauen Machtmissbrauch" wiederum ist für Shetty zur befürchteten "innenpolitischen Schlammschlacht" ausgeartet. Die relevanteste Erkenntnis für ihn sei hier "die russische Unterwanderung Österreichs" gewesen. Zufallsfunde bei der Verhaftung des mutmaßlichen Russen-Spion Egisto Ott hätten intensive Kontakte der FPÖ zu diesem gezeigt. Außerdem habe Karin Kneissl, einstige Außenministerin auf FPÖ-Ticket, im Ressort eine Art Parallelgeheimdienst einrichten wollen, mit Ott an prominenter Stelle. Der Neos-Fraktionsführer forderte, sich dieser Sache "eingehender" im Rahmen eines Russland-U-Ausschusses zu widmen.

Eine der Lehren aus den U-Ausschüssen ist für Shetty, dass dieses Instrument reformiert werden muss. Nötig sei etwa eine Anpassung der Beugestrafen und spürbare Strafen, wenn jemand rechtswidrig wiederholt die Aussage verweigere. Außerdem forderte Shetty einmal mehr eine Live-Übertragung von Befragungen – dafür sprechen sich mittlerweile im Grunde alle Parteien aus, Einigkeit darüber konnte bislang dennoch keine erzielt werden. (Sandra Schieder, 21.6.2024)