Klimaschutzministerin Leonore Gewessler stimmte dem EU-Renaturierungsgesetz zu.
APA/GEORG HOCHMUTH

Wien/Brüssel – Die ÖVP ist weiter entrüstet ob des Alleingangs von Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) in Sachen EU-Renaturierungsgesetz. Als Protest reisen am Freitag die fünf von der Volkspartei gestellten Energielandesräte nicht zum Treffen mit ihren Amtskollegen in Vorarlberg an. Grund dafür ist die Anwesenheit Gewesslers. Diese habe bereits in der Vergangenheit mehrfach gezeigt, dass ihr die Länderinteressen egal seien, heißt es in einer gemeinsamen Aussendung.

Das Fass zum Überlaufen gebracht habe nun "die verfassungs- und rechtswidrige Zustimmung" zum EU-Renaturierungsgesetz trotz einer einheitlichen ablehnenden Stellungnahme der Bundesländer. Damit sei die nötige Vertrauensbasis für die politische Energiereferent/innen-Tagung heute nicht mehr gegeben, begründen die Energie-Landesräte Markus Achleitner (Oberösterreich), Stephan Pernkopf (Niederösterreich), Josef Geisler (Tirol), Josef Schwaiger (Salzburg) und Sebastian Schuschnig (Kärnten) ihre Absage. Die Vielzahl an offenen Gesetzesmaterien auf Bundesebene im Energiebereich belege ebenfalls, dass Gewessler nicht kompromissfähig sei, weil sie Ideologie über alle anderen Interessen und sogar über das Recht stelle, so die Landesräte weiters.

Auch der ÖVP-Bauernbund bringt jetzt eine Anzeige gegen Gewessler ein, zusätzlich zu jener der Bundespartei. Es ist ebenfalls eine Anzeige wegen Amtsmissbrauchs. Bauernbund-Direktor David Süß: "Das Vorgehen von Bundesministerin Gewessler ist beispiellos und zeugt von absoluter Skrupellosigkeit, sich über den innerstaatlichen Konsens und die Bundesländer hinwegzusetzen. Sie stellt ihre persönliche Meinung über die Verfassung, auf die sie angelobt ist, und begeht damit nicht nur Rechts-, sondern auch einen massiven Vertrauensbruch. Wir kritisieren das Vorgehen der Ministerin auf das Schärfste. Durch ihr Verhalten hat sie sich – voll wissentlich und vorsätzlich – über ihre verfassungsgesetzliche Bindung hinweggesetzt."

Video: Regierungskrise: VP-Länder boykottieren Treffen mit Gewessler
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Gewessler will Kurs halten

Gewessler selbst schiebt im Gespräch mit dem STANDARD die Vorwürfe der ÖVP zur Seite. Die Ministerin zeigt sich sicher, dass ihre Entscheidung juristisch halten werde. Sie habe sich von großartigen Juristen Rat geholt, sie habe auf Basis der geltenden Rechtslage und auch auf Basis der langjährigen Praxis entschieden, sagt sie. Auch Minister der ÖVP hätten gegen den dezidierten Willen der Grünen Entscheidungen in einem europäischen Rat getroffen, "ich gehe davon aus, dass der Grundsatz in unserer Rechtsordnung, nämlich das Recht ist für alle gleich, auch hier gilt und mit dem gleichen Maßstab gemessen wird. Insofern sehe ich den rechtlichen Schritten der ÖVP mit großer Gelassenheit entgegen."

Ihr sei klar gewesen, dass es in der Politik nicht nur Schönwetterentscheidungen geben würde, die ÖVP inszeniere eine Kampagne gegen die Themen der Grünen. Gewessler: "Umso wichtiger ist, dass man zu seinen Entscheidungen steht und auch bei Gegenwind Kurs hält."

Gewessler betont, dass sich ihre Entscheidung nicht nach einem Wahlkalender gerichtet habe, sondern dass sie ihrem Gewissen gefolgt sei. Sie habe sich die Entscheidung nicht leicht gemacht, "ich habe mit mir selbst gerungen, ich habe mir viel Rat geholt, auch juristischen Rat, um dann zu sagen: Ja, wenn das rechtskonform möglich ist, und da sind sich die Juristen einig, dann werde ich diesem Gesetz zustimmen".

Austausch zwischen Präsident und Regierung

FPÖ-Chef Herbert Kickl ortet im Alleingang von Klimaschutzministerin Gewessler beim EU-Renaturierungsgesetz "Hochverrat". Bundespräsident Alexander Van der Bellen wirft der FPÖ-Chef vor, kein Machtwort zu sprechen: Es könne nicht sein, "dass sich das Staatsoberhaupt, das sonst mit moralinsaurem Unterton die 'Schönheit unserer Bundesverfassung' lobt, dazu gegenüber der Bevölkerung (...) in tiefstes Schweigen hüllt", meinte Kickl am Freitag. Da sich Gewesslers Zustimmung schon vorher abgezeichnet habe, hätte der Bundespräsident auch bereits früher aktiv werden müssen, meinte Kickl.

In der Hofburg verwies man gegenüber der APA am Freitag auf eine Stellungnahme in der Kronen Zeitung (Mittwoch-Ausgabe): "Der Bundespräsident verfolgt die Diskussion genau und ist in gutem Austausch mit der Bundesregierung. Beruhigung auf beiden Seiten sollte jetzt das Ziel sein", hieß es.

Die Bundes-SPÖ ist jedenfalls schon einmal empört. Das "unwürdige Chaos" in der Regierung habe nun zur Folge, dass auch bei wichtigen Energiethemen die Arbeit völlig eingestellt werde, meinte Energiesprecher Alois Schroll in einer Aussendung. Alle Beteuerungen von ÖVP und Grünen, die Koalition werde anstehende Projekte noch zu Ende bringen, seien somit als pures Manöver entlarvt. (APA, völ, 21.6.2024)