Wladimir Putin mit dem vietnamesischen Präsidenten Tô Lâm bei einer Veranstaltung in Hanoi.
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Die Antwort Washingtons kam prompt: Bereits einen Tag nach Wladimir Putins Abreise aus Vietnam haben sich die USA in Form von Staatssekretär Daniel Kritenbrink in Hanoi angesagt. Der Topdiplomat für die Region, von 2017 bis 2021 US-Botschafter in Vietnam, soll von Freitag bis Samstag das große Engagement der Vereinigten Staaten im südostasiatischen Land unterstreichen.

Dass Hanoi den Kreml-Chef empfing, wurde in Washington doch mit einer gewissen Verärgerung aufgenommen. Kein Land sollte Putin eine Plattform geben, um für seinen Aggressionskrieg in der Ukraine zu werben, hieß es.

Hilfe aus Moskau

Besonders überrascht dürfte man über diesen Schritt aber nicht sein. Die Beziehung zwischen Moskau und Hanoi ist eng, seit die damalige Sowjetunion in den 1950er-Jahren das neue kommunistische Regime in Nordvietnam tatkräftig unterstützte. Auch als das wiedervereinigte Vietnam 1978 in Kambodscha einmarschierte und deshalb international isoliert wurde, blieb die Sowjetunion an der Seite Hanois.

Heute ist Russland der mit Abstand größte Waffenlieferant Vietnams. Experten gehen davon aus, dass bis zu 70 Prozent des vietnamesischen Waffenarsenals russischen Ursprungs sind. Vietnamesische Offiziere werden dort ausgebildet, Führungskader wie der mächtige KP-Generalsekretär Nguyễn Phú Trọng haben in Moskau studiert.

Wirtschaftlich spielt Moskau ebenso eine wichtige Rolle. Russische Unternehmen sind in Vietnams Öl- und Gassektor dominant und betreiben das größte Ölfeld des Landes. Und in dem für das südostasiatische Land so wichtigen Tourismus sind Russen und Russinnen dank guter Flugverbindungen oft gesehene Gäste.

Beziehung aufgewertet

Immer wieder gibt es hochrangigen Besuch aus Moskau im kommunistischen Einparteienstaat. Im vergangenen Jahr war unter anderem Russlands Ex-Präsident Dmitri Medwedew zu Gast. Dass sich nun Putin persönlich die Ehre gab, ist auch als Reaktion darauf zu sehen, dass sein US-Amtskollege Joe Biden im September Vietnam besuchte und die Beziehungen der beiden Länder zu einer "strategischen Partnerschaft" hochgestuft wurden. Der Kreml-Chef ist darauf bedacht, seinen Einfluss in Vietnam nicht zu verlieren.

Die USA hingegen betrachten Vietnam als wichtigen Partner, um Chinas Einfluss in der Region einzudämmen. Hanoi sieht Peking aufgrund eines Streits um Inseln im Südchinesischen Meer kritisch, kann sich aber nicht komplett vom großen Nachbarn abwenden, schließlich hat es mit ihm eine gemeinsame 1300 Kilometer lange Grenze. Zudem ist China das wichtigste Importland.

Biegsam wie Bambus

Dass auch Chinas Präsident Xi Jinping im Dezember Vietnam besuchte, ist Teil von Hanois sogenannter Bambus-Diplomatie. Das bedeutet, in der Außenpolitik biegsam, flexibel und pragmatisch zu agieren, ohne sich auf eine bestimmte Seite zu schlagen, um dadurch möglichst unabhängig von Großmächten zu bleiben.

Diese Strategie steht nun vor einer Belastungsprobe: Bis 26. Juli soll das US-Handelsministerium entscheiden, ob Vietnam den Status als Marktwirtschaft erhält. Dies würde eine Reduktion der Strafzölle auf Importe aus Vietnam bedeuten. Experten zufolge könnte sich die Putin-Visite in Hanoi durchaus negativ auf diese Entscheidungsfindung auswirken. (Kim Son Hoang, 21.6.2024)