Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) erhält dieser Tage einen unangenehmen Brief der EU-Kommission. In dem Schreiben wird die Brüsseler Behörde darlegen, wie hoch aus ihrer Sicht die Einsparungen im heimischen Haushalt in den kommenden vier Jahren bis 2028 sein müssen. Das Schreiben ist geheim. Aber Experten des Brüsseler Thinktanks Bruegel haben ausgerechnet, welche Auflagen auf Österreich zukommen: Wer auch immer nach den Wahlen im Herbst neuer Finanzminister wird, müsste einen Betrag einsparen, der 0,48 Prozent der Wirtschaftsleistung entspricht – und zwar jedes Jahr. Das sind zwei Milliarden Euro.

Das drohende Ungemach aus Brüssel ist eine Folge der neuen Budgetregeln der Union, die seit April gelten. Demnach bleibt den Ländern zwar etwas mehr Spielraum als in der Vergangenheit, aber an den Zielwerten ändert sich nichts: Angepeilt wird, dass alle EU-Staaten ihr Defizit auf unter drei Prozent der Wirtschaftsleistung drücken und der Gesamtschuldenstand des Staates 60 Prozent nicht übersteigt.

Förderungen sind hoch, sagt die ÖVP. Das liegt aber auch an den hohen Familienleistungen.
APA/dpa/Peter Kneffel

Die drohenden Auflagen aus Brüssel haben bereits den Fiskalrat auf den Plan gerufen, der am Mittwoch von der künftigen Regierung schon ein Sparpaket einforderte. Tatsächlich muss Österreich laut geltenden Regeln im September einen Plan vorlegen, wie man die Vorgaben aus Brüssel erreichen will, sagt der Ökonom Philipp Heimberger vom Forschungsinstitut WIIW. Wegen der Wahlen und der folgenden Regierungsbildung kann die künftige Koalition eine Nachfrist verlangen. Dann wird verhandelt: Wenn ein Staat für sich beansprucht, eifrig zu investieren, etwa in die grüne Wende, kann die EU-Behörde dem Land noch mehr Zeit geben, die Sparziele zu erreichen. Österreich würde dann bis zu sieben Jahre bekommen und müsste aktuell rund eine Milliarde Euro pro Jahr sparen.

Von den Dimensionen machbar ...

Machbar von den Dimensionen wäre es. Zwischen 2011 und 2016 fuhr die Regierung den letzten Konsolidierungskurs, das war eine Folge der Finanzkrise. Ein Betrag in Höhe von 0,8 Prozent des BIP wurde damals pro Jahr eingespart, rechnet das Forschungsinstitut Wifo vor – und zwar mit einer Kombination aus Steuererhöhungen und Kürzungen, Steuern für Topverdiener zogen an, die Registrierkasse wurde eingeführt, es gab Kürzungen bei gewissen Familienförderungen.

Bleibt die Frage: Woher jetzt das Geld nehmen?

Im Prinzip sind Kürzungen oder Steuererhöhungen keine Grenzen gesetzt. In der Praxis wird sich die Ausgestaltung aber als schwierig erweisen. Beispiel Sozialstaat: Österreichs Sozialausgaben sind die zweithöchsten in der EU, nur in Frankreich wird noch mehr für soziale Absicherung ausgegeben. Um die 140 Milliarden Euro im Jahr gibt die Republik aus.

Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) hat in seinem Österreich-Plan schon die Marschrichtung vorgegeben, es soll keine "soziale Hängematte" mehr geben. Lässt sich hier also Geld holen? Ja, aber nicht dort, wo die ÖVP typischerweise ansetzten würde. Von 100 Euro, die im Sozialbereich ausgegeben werden, entfallen 72 auf Gesundheit, Pflege, Pensionen. Nur sechs Euro kosten den Staat Arbeitslose, gerade zwei Euro werden für Mindestsicherung ausgegeben. Rund eine Milliarde fällt für die gesamte Sozialhilfe an. Sprich: Selbst bei einer drastischen Kürzung der Sozialhilfe wäre nie und nimmer eine Milliarde oder auch nur eine halbe zu holen. Ganz ähnlich verhält es sich bei der Arbeitslosenhilfe.

Österreich hoch verschuldet? Ein Blick auf große Industrieländer zeigt, dass eine Vielzahl noch höher verschuldet ist.
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Wo wirklich der große Brocken liegt: Pensionen. Heuer belaufen sich die Gesamtausgaben für Pensionen auf fast 30 Milliarden Euro, das entspricht einem Viertel der Gesamtausgaben. Die Neos kritisieren seit Jahren, dass Pensionskosten aus dem Ruder laufen. Sie fordern, die steigende Lebenserwartung bei der Pensionshöhe mitzuberücksichtigen, Vorbild Schweden. Aber ÖVP, SPÖ und FPÖ machen Pensionisten traditionell die Mauer, die Grünen zuletzt auch, mit keiner der genannten Parteien dürfte eine größere Reform gehen. Tendenziell wurde zuletzt sogar eher mehr ausgegeben: Seit 2017 gab es außertourliche Pensionserhöhungen, die das laufende Budget mit 1,8 Milliarden Euro belasten.

... aber wo wegnehmen?

Ein anderer Bereich, der gern diskutiert wird, sind Förderungen. Österreich fördert viel mehr als die übrigen EU-Staaten: Im Schnitt entsprachen die Ausgaben zuletzt 7,5 Prozent der Wirtschaftsleistung, das sind mehr als 30 Milliarden Euro. Allein wenn man das ändere und auf den Schnitt der übrigen Länder absenke, könne der Staat 3,5 Milliarden Euro einsparen, rechnete Finanzminister Brunner einmal vor. Aber: Wo wegnehmen? Zu den größten Brocken bei Förderungen zählen Familienleistungen, wer würde das aktuell antasten? Auch der Agrarsektor ist großer Profiteur, die Forschungsausgaben sind ein großer Brocken. Zu viele Interessen sind berührt, als dass ein großer Wurf in greifbarer Nähe wäre.

Das sieht auch die Ökonomin Margit Schratzenstaller so. Neben Pensionen, sieht sie noch Potenzial bei der Streichung von klimaschädlichen Subventionen, etwa der vergünstigten Besteuerung von Diesel – wobei das mit ÖVP, SPÖ und FPÖ wohl nicht umsetzbar wäre. Was ist mit einer Verwaltungsreform? Die wird regelmäßig gefordert, bloß kann keiner beziffern, was sie bringen soll. Schulgremien der Länder zusammenzulegen mag die Verwaltung vereinfachen. Viele Millionen spart man damit nicht ein. Blieben noch Steuererhöhungen: Die SPÖ etwa will Erbschafts- und Vermögenssteuern. Bloß zeichnet sich auch dafür keine politische Mehrheit ab.

Am Ende könnte also ein Klein-Klein mit Kürzungen in vielen Bereichen stehen, Modell Rasenmäher. So war das auch bei den Sparpaketen 2011 bis 2016. Die Wirtschaftsentwicklung war in dieser Zeit mau. (András Szigetvari, 21.6.2024)