Jim Jones, größenwahnsinniger Anführer der Sekte Peoples Temple, riss 1978 in Südamerika mehr als 900 Menschen mit in den Tod.
Jim Jones, größenwahnsinniger Anführer der Sekte Peoples Temple, riss 1978 in Südamerika mehr als 900 Menschen mit in den Tod.
AP

In Stephan Jones Stimme schwingt Ehrfurcht und Bewunderung mit, wenn er von seinem Vater spricht: "Er war ein unglaublicher Redner. Er hatte eine großartige Stimme und eine wundervolle Botschaft." Sein Vater, das war Jim Jones, Anführer einer religiösen Gemeinschaft namens Peoples Temple. 1974 kam es im südamerikanischen Dschungel zu mehreren Morden und einem von ihm verordneten Massensuizid, bei dem insgesamt 912 Menschen ums Leben kamen. Die dreiteilige Dokumentation Das Sekten-Massaker: Ein Tag in Jonestown rekonstruiert auf Disney+ die Ereignisse vom 18. November 1978 und die Tage davor. Zu Wort kommen Menschen, die damals dabei waren. Die Tragödie ist außerdem filmisch dokumentiert, weil zu der Zeit Journalisten vor Ort waren.

Der Peoples Temple geht auf das Jahr 1955 zurück, damals noch unter anderem Namen. Ab 1963 tritt Jones als Anführer der Bewegung auf, in der eine Art esoterisch-fanatisierten Marxismus verbreitet. Bei den Hippies in San Francisco kommt er damit gut an. 1978 zählt der Tempel mehr als 7000 Mitglieder und hat seine Zentrale nach Guyana verlegt.

Esoterisch fanatisch

Dort lebt er mit mehr als 1000 Menschen. Er nennt es "Jonestown". Zu sehen sind Archivfilme, die glückliche Menschen zeigen: "Es war wie Mogli im Dschungelbuch", erinnert sich ein Mitbewohner in der Doku.

Charismatisch und offen gab sich Jim Jones nach außen hin. Er sprach darüber, wie er die Bürgerrechtsbewegung respektiere, erinnert sich eine Zeitgenossin: "Und wie wichtig es war, dass wir den Traum Martin Luther Kings weiterleben." Doch der charismatische Sektenführer war in Wahrheit ein Monster. Grace Stoen, ehemaliges Mitglied erinnert sich an Schlafentzug, Misshandlungen, Folter, andere beschreiben es als "Arbeitslager" oder schlicht als "Gulag im Dschungel".

Stoen war es auch, die 1978 schließlich den amerikanischen Kongressabgeordneten Leo Ryan von den Geschehnissen informierte. Der Politiker wollte sich ein Bild machen und reiste selbst nach Guyana. Mehrere Journalisten waren ebenfalls dabei, unter anderem der NBC-Journalist Don Harris und der Kameramann Bob Brown, weshalb das, was danach passierte, beinahe lückenlos rekonstruierbar ist.

Anfangs bekommen die Besucher eine Gemeinde voll Glück und Seligkeit präsentiert, Ryan geht ihnen zunächst auf den Leim und verkündet das Ergebnis seiner Untersuchung vor versammelter Gemeinde. Minutenlanger Jubel folgt.

Messerattacke

Als Mitglieder den Journalisten heimlich Zettel zusteckten, in denen sie um Hilfe bitten, und Jones davon erfährt, schlägt die Stimmung um. Als Ryan und die Anwältin Jackie Speier versuchen, Leute aus dem Camp zu holen, kommt es zu dramatischen Szenen. Ryan wird bei einer Messerattacke verletzt.

Auf dem Flugfeld erschießen bewaffnete­ Männer kurz später Ryan, Harris und Brown sowie den Fotografen Greg Robinson und die Jones­town-Bewohnerin Paddy Paws. Speier überlebt schwer verletzt. Im Dorf befiehlt Jones den kollektiven Suizid, eine unfassbare Grausamkeit. Valium und Zyankali – sie haben das davor schon geübt.

"Dad war ein ängstlicher Mann, der selbst Ängste schürte", sagt sein Sohn abschließend. Unter den mehr als 900 Toten waren 276 Kinder. (Doris Priesching, 21.6.2024)