Ein Polizist mit einem sichergestellten Handy.
Nach einer Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs muss die Regierung Handysicherstellungen neu regeln. Jetzt liegt ein Entwurf vor, der auf viel Kritik stößt.
Christoph Reichwein (crei) via w

Chats, Termine, Standorte: Smartphones sind für Ermittlerinnen und Ermittler eine wahre Fundgrube – auch deshalb, weil sie bislang unter den gleichen niedrigen Voraussetzungen sichergestellt werden können wie etwa Messer oder Notizblöcke. Dass das mit einer Realität, in der Menschen praktisch ihr gesamtes Leben auf dem Handy speichern, kaum mehr vereinbar ist, kritisieren Strafverteidiger schon länger. Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) schloss sich dieser Meinung an und hob die Bestimmung in der Strafprozessordnung Ende vergangenen Jahres auf.

Die Neuregelung, die die Regierung vergangene Woche präsentiert hat, klingt auf den ersten Blick nach einem vernünftigen Kompromiss. Anstatt bei generellen Anordnungen zu bleiben, müssen Staatsanwaltschaften künftig ganz konkret benennen, welche Daten aus welchen Zeiträumen sie aus einem Handy auslesen wollen. Das ist grundvernünftig und verhindert einen allzu weitgehenden Eingriff in die Privatsphäre von Beschuldigten. Anders als von Strafverteidigern gefordert, wird es zudem keine höheren Hürden bei der Deliktschwere geben. Wenn notwendig, können Smartphones also auch bei "einfacheren" Delikten wie Stalking weiterhin frühzeitig beschlagnahmt werden. Die Staatsanwaltschaften werden das begrüßen.

Enorme Irritationen

Für enorme Irritationen sorgt unter Fachleuten aber etwas anderes: Die Aufbereitung der sichergestellten Daten soll künftig ausschließlich durch eine spezielle Einheit der Kriminalpolizei erfolgen. Das läuft auf eine Entmachtung der Staatsanwaltschaften und insbesondere der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) hinaus, die rechtsstaatlich höchst problematisch ist. Dazu kommt ein weiteres Problem: Die Reform sieht besonders weitgehende Betroffenen- und Beschuldigtenrechte vor, mit denen Daten aus einem Strafakt gelöscht werden dürften. Diese neuen Rechte könnten dazu führen, dass das Ibiza-Großverfahren, in dem gegen zahlreiche Politiker ermittelt wird, mit Anträgen torpediert wird.

Es liegt der dringende Verdacht nahe, dass die ÖVP den Grünen im Zuge der Verhandlungen ein Kuckucksei gelegt hat. In den kommenden Tagen werden sich einige der renommiertesten Strafrechtlerinnen und Strafrechtler Österreichs zu Wort melden, um das drohende Übel zu verhindern. Das ist gut so, denn das Gesetz muss vor seinem endgültigen Beschluss unbedingt korrigiert werden. Andernfalls wäre ein weiterer Angriff auf die unabhängige Justiz erfolgreich. (Jakob Pflügl, 20.6.2024)