Wie gut, dass Österreich nicht Deutschland ist. Jeder hier im Land, der den Zustand der deutschen Infrastruktur kennt, wird diesem Befund zustimmen. Augenscheinlich ist der Verfall bei der deutschen Bahn mit ihren notorischen Verspätungen. Aber auch Straßen und Brücken sind im Nachbarland erstaunlich oft in schlechtem Zustand. Bloß 31 Prozent der Deutschen sind mit ihrer Infrastruktur zufrieden. Was schiefläuft? Es wird zu wenig investiert. Auf 600 Milliarden Euro beziffern Wirtschaftsforscher die Investitionslücke. Den deutschen Regierungen war die Budgetdisziplin wichtiger als pünktliche Züge.

Die Zinsbelastung der Republik ist seit den 1990er-Jahren kontinuierlich gesunken.
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Wann immer eine Debatte über Staatsschulden losbricht, ist es wichtig, sich vor Augen zu führen, dass Schulden nicht nur ein Problem sind, ein Rucksack für künftige Generationen, sondern mit dem ausgegebenen Geld im Regelfall auch etwas geschaffen wird. Das darf auch in der aktuellen Diskussion in Österreich, die Fiskalratschef Christoph Badelt angestoßen hat, nicht untergehen.

Badelt warnt davor, dass Österreichs Schuldenstand zu hoch sei und weiter ansteige. Es droht ein Defizitverfahren der EU. Die Neuverschuldung darf laut Vorgaben nicht höher als drei Prozent der Wirtschaftsleistung betragen, der Schuldenstand nicht über 60 Prozent liegen – beides verfehlt Österreich.

Unsere Zahlen verblassen 

Badelt muss auf diese Unbill aus Brüssel hinweisen. Richtig ist aber auch, dass Österreich kein echtes Schuldenproblem hat. Die von der EU vorgegeben Werte sind willkürlich festgesetzt, es gibt keine Studien, die belegen, dass Staaten mit 60 Prozent Schulden erfolgreicher sind als solche mit 130. Es kommt auf viele Faktoren an. Darauf, ob genug in Infrastruktur und Bildung investiert wird, um den Wohlstand langfristig sichern zu können. Oder darauf, ob Zinsen bedrohlich hoch sind.

Da zeigt sich, dass Österreich gut dasteht: Die heimischen Zinskosten sind stark gefallen über die vergangenen Jahre und bleiben länger niedrig. Wir können uns die Schulden leisten. Und im internationalen Vergleich investiert der Staat in Österreich ordentlich. Tendenziell müssten es eher mehr, nicht weniger werden. Große Industrieländer wie die USA, Japan, Frankreich oder das Vereinigte Königreich verschulden sich zudem derzeit viel stärker als Österreich.

Kein Wunder. Die Aufgaben für den Westen sind mit dem Krieg in der Ukraine, dem Kampf gegen den Klimawandel und der neuen Industriepolitik, in dessen Rahmen der eigene Technologiesektor stärker gefördert wird, größer geworden.

Was folgt aus alldem? Statt weiterhin auf starre Vorgaben zu setzen, sollte die EU den Ländern mehr Spielraum bei der Erstellung ihrer Budgets lassen. Österreichs Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) sollte sich dafür starkmachen und nicht auf europäischer Ebene stets den Sparefroh geben.

Aber richtig ist auch, dass diese Regeln aktuell paktiert sind und sich die kommende Regierung etwas wird überlegen müssen. Im schlimmsten Fall muss der nächste Finanzminister bis 2028 jedes Jahr zwei Milliarden Euro einsparen, gut acht Milliarden Euro insgesamt. Diese Summen sind mit Einschnitten, wie sie gern diskutiert werden, etwa bei Arbeitslosen, nie zu holen. Auch eine Föderalismusreform wird nie so viel hergeben. Politisch wäre das alles ohnehin schwer durchzubringen ebenso wie eine Erbschaftssteuer.

Wo Geld zu holen wäre: bei Pensionen. Fast 30 Milliarden gibt der Staat dafür aus, ein Viertel der Gesamtausgaben. Aber bis auf die Neos traut sich da keine Partei ran. Siri: Definiere verzwickte Lage. (András Szigetvari, 21.6.2024)