Manche Menschen konnten es kaum erwarten. Als das Informationsfreiheitsgesetz Anfang des Jahres im Parlament beschlossen wurde, sind in mehreren Rathäusern interessierte Bürgerinnen und Bürger aufgetaucht – und forderten Auskunft auf Basis der neuen Transparenzregeln. So erzählt man es beim Gemeindebund, der aktuell intensiv mit den Vorbereitungen dafür beschäftigt ist. Etwas Zeit hat er dafür noch: Das Informationsfreiheitsgesetz ist zwar beschlossen, tritt aber erst im September 2025 in Kraft.

Werner Kogler und Karoline Edtstadler bei einer Pressekonferenz.
Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) und Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) präsentierten im Herbst die Einigung der Koalition beim Informationsfreiheitsgesetz. Legisvakanz inklusive.
IMAGO/Martin Juen

Diese "Legisvakanz" soll allen Betroffenen die Möglichkeit geben, sich auf die Abschaffung des Amtsgeheimnisses und die Einführung eines Grundrechts auf Information einzustellen. Aber was passiert genau in diesem guten Jahr? Wie bereitet man eine Republik auf die Informationsfreiheit vor? Und: Wie fix ist es, dass Österreich 2025 tatsächlich transparenter ist?

Ministerien müssen Änderungsbedarf melden

Der Gemeindebund hat im Vorfeld der Reform eindringlich davor gewarnt, die Kommunen mit komplizierten juristischen Entscheidungen zu überfordern. Denn auch in Zukunft müssen öffentliche Stellen abwägen, ob das Interesse an Information von Fragestellenden überwiegt oder ob Geheimhaltungsgründe gegen eine Auskunft sprechen. In Zusammenarbeit mit dem Juristenverlag Manz entwickeln die Rechtskundigen des Gemeindebunds deshalb einen Leitfaden für die Gemeindeverwaltung, ab Herbst soll es außerdem Webinare für die Rathäuser des Landes geben.

Auch im Verfassungsdienst des Bundeskanzleramts arbeitet man an Hilfestellungen: Demnächst soll ein erster grober Überblick zur Auslegung des neuen Gesetzes geliefert werden, 2025 dann ein detailliertes Dokument folgen. Die Datenschutzbehörde wird im Gesetz mit Bildungsangeboten für betroffene Behörden beauftragt, sie entwickelt ebenfalls einen Leitfaden und soll auch Schulungen anbieten. Dort können dann etwa Amtsleiterinnen und Amtsleiter lernen, welche Geheimhaltungsgründe es gibt, wie sie gegen das Informationsbedürfnis der Bürgerinnen und Bürger abgewogen werden müssen, wie ein Bescheid auf Basis des neuen Gesetzes am besten formuliert wird.

Schriftzug
In Österreichs Bürgermeisterbüros muss man sich ausgiebig mit dem neuen Gesetz auseinandersetzen.
IMAGO/Silas Stein

Reform im Strafgesetzbuch

Das Informationsfreiheitsgesetz passierte das Parlament Anfang des Jahres. Doch dieser eine Rechtsakt löst nun einen Dominoeffekt an anderen notwendigen Gesetzesänderungen aus: Mit der Abschaffung des Amtsgeheimnisses müssen auch alle Rechtstexte abgeändert werden, die darauf Bezug nehmen. Das ist laut Schätzungen jedenfalls eine dreistellige Zahl an Regelungen.

Um herauszufinden, was wo geändert werden muss, hat der Verfassungsdienst ein Rundschreiben an alle Ministerien geschickt. Die Gesetze und Verordnungen der Ressorts müssen auf Verweise auf das Amtsgeheimnis überprüft und Änderungsvorschläge eingebracht werden. Auch Regelungen wie das Beamtendienstrecht müssen angepasst werden, der prominenteste Änderungskandidat findet sich aber im Strafgesetzbuch: Paragraf 310 wird künftig nicht mehr "Verletzung des Amtsgeheimnisses" lauten – weil es das Amtsgeheimnis ja ab Herbst 2025 nicht mehr gibt.

Der Streit bleibt

Wenn alle Änderungen eingemeldet sind, sollen sie in einer großen "Sammelnovelle" umgesetzt werden. Angesichts des Umfangs dieser Aufgabe ist klar: Das geht sich bis Herbst 2024 nicht aus und ist somit ein Job für die nächste Regierung. Erledigt sie die Änderungen nicht, wären mit Inkrafttreten des Informationsfreiheitsgesetzes auf einen Schlag womöglich hunderte andere Gesetze verfassungswidrig. Das müsste dann vom Verfassungsgerichtshof festgestellt werden, der dem Gesetzgeber eine Reparatur auftragen würde.

Inhaltlich wird im restlichen Recht ohnehin nicht viel umgebaut: Schon jetzt gilt ja ein Auskunftspflichtgesetz, schon jetzt gibt es Geheimhaltungsgründe. Viele Verbesserungen finden wohl in der Praxis nicht sofort Anwendung – sondern müssen von klagswilligen Aktivistinnen und Aktivisten erst auf dem Rechtsweg erkämpft werden: Verweigert das Bildungsministerium etwa die Auskunft über bestimmte Maturaergebnisse, können diese erstritten werden, sofern das zuständige Gericht zum Schluss kommt, dass sie vom Recht auf Information umfasst sind.

Das gilt etwa auch dann, wenn einfachgesetzliche Regelungen auf Bundes- oder Landesebene der Informationsfreiheit widersprechen. Der Weg, das feststellen zu lassen, wird auch ab Herbst 2025 langwierig. Der Kampf um Informationen bleibt ein Kampf.

Abschaffung unwahrscheinlich

Angesichts der Nationalratswahl am 29. September stellt sich auch die Frage: Überlebt das Informationsfreiheitsgesetz seine Legisvakanz überhaupt? Schließlich kann jedes beschlossene Gesetz auch wieder abgeändert oder abgeschafft werden. Das wirkt aber realpolitisch höchst unwahrscheinlich: Änderungen setzen eine Zweidrittelmehrheit im Nationalrat voraus. Und inhaltlich ist das Gesetz ein ausgewogener Kompromiss zwischen informationsdurstigen Bürgerinnen und Bürgern und Ämtern und Behörden, die zu großen Aufwand fürchten. Letztlich geht es auch um eine Imagefrage: Keine Regierung würde als Totengräberin bereits beschlossener Transparenz dastehen wollen. (Sebastian Fellner, 25.6.2024)