Black Barbies Outfit wurde dem Stil von Diana Ross nachempfunden.
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Ein paar Strähnen zwischen Deckel und Marmeladenglas eingeklemmt, fertig sind die Haare und die Puppe, oder zumindest eine Idee davon. Beulah Mae Mitchell, geboren 1938 in Texas, kreierte diese Marmeladenglaspuppe für sich. Später bekam sie zwar auch richtige Puppen, doch bei der Ähnlichkeit dieser Puppen mit ihr selbst haperte es weiterhin – sie waren weiß. Ihr Faible für Puppen blieb trotzdem, kein Wunder, verbringt sie doch ihr gesamtes berufliches Leben am wohl schillerndsten Ort des Puppenuniversums: bei Mattel.

Die Geschichte der Black Barbie ist auch jene von Beulah Mae Mitchell, erzählt wird sie von ihrer Nichte Lagueria Davis, die schon 2011 mit der Arbeit an der Dokumentation begann. Also noch lange vor dem Hype nach Gerta Gerwigs Barbie-Film 2023. Hätte nicht dieser Megaerfolg bereits das Image der als politisch völlig inkorrekt verschrienen Puppe repariert, hätte wohl die Doku Black Barbie einiges an Woke-Washing erledigt.

Der Clark-Test

Es waren die 1950er-Jahre, als Beulah Mae Mitchell bei Mattel als Arbeiterin anheuert. Alle Welt dachte sich nichts dabei, dass alle Welt mit weißen Puppen spielt, obwohl nicht alle Welt weiß ist. Doch schon damals gab es Untersuchungen, wie groß das Ausmaß des Problems war – angesichts von Lynchmorden, Armut und der gesellschaftlichen Trennung von Weißen und People of Color.

Was allein der Blick auf eine Puppe mit schwarzen Kindern machen kann, das zeigten Mamie und Kenneth Clark 1940 in einem Experiment mit zwei fast identischen Puppen. Der einzige Unterschied: Eine war heller, die andere dunkler. Die Kinder wurden gefragt, mit welcher Puppe sie spielen wollen würden und welche ihnen gar nicht gefalle. Die inzwischen als "Clark Doll Test" bekannte Untersuchung zeigte, dass die Mehrheit der schwarzen Kinder der weißen Puppe positive und der braunen negative Eigenschaften zuordneten. Es ist ein erschütternder Satz, mit dem der Psychologe Clark in einer Archivaufnahme die Reaktionen der Kinder auf seine Frage beschreibt, welche Puppe so aussehe wie sie selbst: "Einige Kinder warfen mir einen Blick zu, als wäre ich der Teufel persönlich."

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Das Ergebnisse des Clark-Tests trugen wesentlich dazu bei, dass der Supreme Court 1954 die Rassentrennung an den Schulen aufhob. Zwei Jahre davor hatte Mattel-Mitbegründerin Ruth Handler die Barbie-Puppe erfunden. Der Erfolg war groß, dennoch wollte Handler von ihren Beschäftigen wissen, was sie noch verbessern könnten. Die schneeweiße Hautfarbe fiel Beulah Mae Mitchell und ihren Kolleginnen freilich ein. Doch zum Naheliegenden ringt sich die Firma sehr lange nicht durch, trotzdem wird sie in der Doku als innovativ und sozial engagiert dargestellt. Ende der 1960er-Jahre erschienen die ersten dunkleren Puppen, die Barbie ähnlich waren. Sie hießen "Francie" oder "Christie" – doch Barbie durften sie nicht heißen, das war praktisch ein Synonym für blond und blauäugig.

Hübsch ist etwas anderes

Prominente Protagonistinnen wie die Schauspielerin Gabourey Sidibe oder die Drehbuchautorin und Produzentin Shonda Rimes erzählen von ihrem Verhältnis zu der Puppe und davon, wie es war, als Mädchen nie der Vorstellung von "hübsch" zu entsprechen. Die Doku zeigt an vielen Stellen, wie schwer diese Erinnerungen selbst Jahrzehnte später für viele schwarzen Frauen zu ertragen sind.

1980 war es endlich so weit, Michell Kitty Black designte die erste Black Barbie, und abgesehen von den unrealistischen Körpermaßen der Puppe passte sie die ihre kaum an die weiße Barbie an. Black Barbie hatte kurze lockige Haare, und ihr Outfit erinnerte an den Stil von Diana Ross. Endlich eine Barbie, die aussieht wie ich, freuten sich die Protagonistinnen der Doku. Endlich ein schwarzes Vorbild, eine schwarze Barbie, die verschiedenste Berufe ausübt und erfolgreich ist. Es gibt viel Jubel und wenige kritische Stimmen in Black Barbie. Das vermittelte Körperbild der Puppe wird als Thema komplett ausgespart. Womöglich hätte man doch mehr aus der Idee der Marmeladenglas-Puppen machen sollen. (Beate Hausbichler, 21.6.2024)