SPÖ-Chef Andreas Babler peilt eine Regierungsbeteiligung an, er will Kanzler werden. ÖVP-Chef Karl Nehammer will Kanzler bleiben, die Volkspartei spekuliert jedenfalls mit einer Regierungsbeteiligung. Finden die beiden zusammen?
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In der ÖVP werden zwei Koalitionsvarianten diskutiert, und es gibt Sprecher für beide Denkschulen: eine Koalition mit der FPÖ oder eine mit der SPÖ. Gegen eine Koalition mit der FPÖ spricht in erster Linie Herbert Kickl, mit dem keine Zusammenarbeit möglich sei, da haben sich viele in der Partei schon sehr eindeutig festgelegt. Eine Kehrtwende in dieser Frage könnte die Volkspartei massiv beschädigen. Bleibt die Hoffnung, dass die FPÖ nicht auf Kickl beharrt und jemand anderen nominiert, der die Freiheitlichen in der Regierung anführen könnte. Aus jetziger Sicht ist das nicht sehr wahrscheinlich, aber auch nicht gänzlich ausgeschlossen. Das hoffen zumindest maßgebliche Vertreter der Wirtschaft, die vehemente Vorbehalte gegen eine Partnerschaft mit einer anderen Partei haben: der SPÖ.

Die Kommunikationskanäle zu den Roten sind allerdings offen und werden sorgfältig gepflegt, heißt es. Es gebe eine gute Gesprächsbasis zwischen Karl Nehammer und Andreas Babler, die beiden kennen einander noch aus Nehammers Zeit im Innenministerium, da gab es immer wieder Kontakt zum Traiskirchner Bürgermeister.

Eher noch als in einer Koalition mit der FPÖ bestünde in einer Koalition mit der SPÖ die Möglichkeit, dass die ÖVP doch den Kanzler stellt – als zweit- oder sogar als drittstärkste Partei. Alles schon dagewesen. Dann nämlich, wenn der Druck auf alle steigt, Kickl als Kanzler zu verhindern, und es Babler nicht zugetraut wird, diese Allianz zu schmieden und zusammenzuhalten. Das klingt nicht sehr wahrscheinlich und dürfte eher einer Wunschvorstellung in ÖVP-Kreisen entspringen.

Der Dritte an Bord

Aber: SPÖ und ÖVP, in welcher Konstellation auch immer, bräuchten aller Wahrscheinlichkeit nach einen Dritten an Bord. Aus Sicht der SPÖ, jedenfalls der Bundes-SPÖ, wären das die Grünen. Für die ÖVP ist das seit dieser Woche eher ausgeschlossen. Und wenn, dann nur, wenn Leonore Gewessler, die zum neuen Feindbild gereift ist, nicht mehr dabei ist. Das bekräftigte etwa Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP), der erklärte, die Grünen seien für ihn als möglicher Koalitionspartner nach der Nationalratswahl nur ohne die jetzige Klimaministerin denkbar.

Viele in der ÖVP hätten ohnedies lieber die Neos mit an Bord. Mit der Partei von Beate Meinl-Reisinger sei trotz vieler Vorbehalte die Schnittmenge in Sachfragen ungleich höher als mit den Grünen. Eine Dreierkoalition mit den Neos kann man sich auch in der SPÖ vorstellen, manche mehr, manche weniger. Parteichef Andreas Babler kann sicher besser mit den Grünen, da finden die Parteien in vielen inhaltlichen Positionen rasch zueinander. Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ), der selbst in einer Koalition mit den Neos ist, präferiert auch auf Bundesebene eine Zusammenarbeit mit den Pinken, die ihm als verlässlicher gelten als die Grünen. Er hat ja beides probiert.

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Van der Bellens zentrale Rolle

Eine zentrale Rolle bei der Regierungsbildung kommt freilich dem Bundespräsidenten zu. Dessen Skepsis gegenüber Kickl ist bekannt. Sollte die FPÖ tatsächlich bei der Nationalratswahl Erster werden, wonach es jetzt ausschaut, wären das wohl mühevolle und langwierige Verhandlungen bis hin zu einer Regierungsbildung. Und es läge an der ÖVP, die Tür zu einer Dreierkoalition abseits der FPÖ aufzumachen.

Was keine Sorge der ÖVP ist: SPÖ, Grüne und Neos. Das wird sich aller Voraussicht nach nicht ausgehen. Also hat die ÖVP jedenfalls den Ausblick, wieder Teil der nächsten Bundesregierung zu sein, in welcher Konstellation auch immer. Denn auch eine Regierung aus FPÖ und SPÖ ist derzeit nicht vorstellbar. (Michael Völker, 20.6.2024)