Mazlum Nergiz ist seit der Spielzeit 2023/24 Mitglied der Leitungsgruppe am Schauspielhaus Wien.
APA/EVA MANHART

Im Schauspielhaus Wien hat das Quartett der künstlerischen Leitung am Mittwoch eine positive Bilanz über die noch im Laufen befindliche erste Saison gezogen und einen Ausblick auf die kommende Spielzeit gegeben: Mit sechs Produktionen hat man 2024/25 um eine weniger im Angebot, dafür sind gleich vier Uraufführungen darunter. Das neunköpfige Ensemble bleibt gleich. Zum Saisonausklang am 29. Juni wird gemeinsam getanzt.

Im Namen des Teams zeigte sich Co-Leiter Tobias Herzberg "sehr zufrieden. Es gab eine große Neugier am Anfang, und das hat sich tollerweise bis jetzt auf hohem Niveau gehalten". Vor allem das Konzept eines "offenen Hauses" für alle – so gibt es etwa bei allen Stücken mindestens eine Nachmittagsvorstellung, zu der kostenlose Kinderbetreuung durch Kindergartenpädagog:innen angeboten wird – werde stark angenommen. Das Eröffnungsstück der Direktion, Magdalena Schrefels Uraufführung Die vielen Stimmen meines Bruders, werde weiter gespielt und sei bei Festivals und Gastspielen viel gefragt, freute sich Martina Grohmann: "Es ist total schön, dass das so sehr wahrgenommen wird."

"Ausgezeichnete Publikumsresonanz"

Der kaufmännische Geschäftsführer Matthias Riesenhuber berichtete auf Nachfrage von "ausgezeichneter Publikumsresonanz". Inklusive Koproduktionen seien bisher bei 237 Veranstaltungen 18.255 Besucherinnen und Besucher gezählt worden – was eine Auslastung von 81 Prozent Auslastung ergibt. "Es kommen noch einige dazu, denn wir haben noch zehn Vorstellungen. Wir werden die budgetierten Einnahmen eine Spur übertreffen. Ich nenne das eine Punktlandung. Wir können uns auf die Schulter klopfen."

2024/25 startet man am 20. September mit einem "Tag des offenen Hauses". Erste Premiere in der Saison, in der Auseinandersetzungen mit Vergangenheit und Erinnerungen im Mittelpunkt stehen, aber auch auf politische Aktualitäten eingegangen wird, ist am 26. September, drei Tage vor der Nationalratswahl, ein Auftragswerk von Thomas Köck. chronik der laufenden entgleisungen (austria revisited) heißt die Koproduktion mit dem Steirischen Herbst und dem Schauspielhaus Graz, wo die Uraufführung am 22. September stattfinden wird.

Marlene Engelhorn auf der Bühne

Regisseurin und Co-Leiterin Marie Bues kündigte "ein großes Spektakel" an. Köck habe sich "ein Jahr lang mit Österreich beschäftigt" und einen "eigentlich untheatralen Text, der aber total spannend ist, fürs Theater" geschrieben. "Die Ursprungsfassung hatte 500 Seiten." Mit einer radikalen Strichfassung befinde man sich nun bereits in der dritten Probenwoche. Der ausführlichere Text erscheine im August im Suhrkamp-Verlag und wird vom Autor am Vortag der Nationalratswahl in einer zehnstündigen Marathonlesung von 14 bis 24 Uhr gelesen, wobei er als Abschluss einer Aktionswoche mit "einer Art künstlerischen Wahlbegleitung" vom Literaturhaus Wien zur Alten Schmiede und weiter zum Schauspielhaus ziehen wird.

Nach dem Gastspiel Geld ist Klasse, bei dem am 25. und 26. Oktober auch Millionenerbin Marlene Engelhorn persönlich auf der Bühne stehen wird, folgt am 30. November die nächste Uraufführung: Am Fluss von Mazlum Nergiz ist eine im Hafengebiet von Manhattan spielende Auseinandersetzung mit Sex und Gewalt, die von Christiane Pohle als eine Koproduktion mit dem Slowakischen Nationaltheater Bratislava inszeniert wird.

Reale Geister und Elias Hirschl

2025 folgen die Uraufführung von Die realen Geister von Guido Wertheimer, dem Sieger des Hans-Gratzer-Preises 2024, durch Stephan Kimmig, sowie die deutschsprachige Erstaufführung des Stückes Salty Irina von Eve Leigh, das für das Schauspielhaus gerade übersetzt wird. "Ich hab das Stück beim Edinburgh Fringe Festival im Original gesehen und war begeistert", meinte Herzberg über das Stück, das nach Möglichkeiten und Grenzen von Zivilcourage fragt.

Im Mai 2025 adaptiert dann Asli Kislal Elias Hirschls Roman Content für die Bühne, wobei Kislal vor allem den "trockenen Humor und die großartigen Frauenfiguren" des Autors hervorhob. Als letzte Produktion wird die Zusammenarbeit mit der Musik- und Kunst-Privatuniversität der Stadt Wien fortgesetzt: Florentine Krafft inszeniert die Österreichische Erstaufführung des Stückes Juices von Ewe Benbenek. (APA, 19.6.2024)