Grünen-Politikerin Lena Schilling ist mit einer Zivilklage ihrer ehemaligen Freundin Veronika Bohrn Mena und deren Ehemann Sebastian konfrontiert.
Heribert Corn

Rund zwei Wochen nach ihrer Wahl ins EU-Parlament beginnt am Freitag der Zivilprozess gegen die Grünen-Politikerin Lena Schilling. Das Aktivistenpaar Veronika und Sebastian Bohrn Mena wirft Schilling mit einer Klage vor, zwischen 2022 und 2024 mehrmals kreditschädigende Falschbehauptungen über deren Ehe- und Berufsleben in Umlauf gebracht zu haben.

Bei der Verhandlung vor einem Wiener Bezirksgericht wollen die Bohrn Menas erreichen, dass die designierte EU-Abgeordnete derlei Behauptungen öffentlich widerrufen muss.

Polit-Szene und Freundeskreis

Die bevorstehende Konfrontation vor Gericht steht sinnbildlich dafür, wie massiv das Vertrauen zwischen den Beteiligten zerstört ist, das sich bis vor kurzem noch so eng darstellte. Alle drei waren in den vergangenen Jahren in derselben politischen Szene verankert, in der sich engagierte Linke, progressive NGOs und die Klimabewegung auf vielschichtige Weise verknüpfen.

Hier Schilling, die aufstrebende junge Anführerin des Lobau-Protestcamps; da Veronika Bohrn Mena, die gewerkschaftlich vernetze Buchautorin; und dort ihr Mann Sebastian, der für den Tierschutz kampagnisiert und einst bei diversen Parteien von SPÖ bis Liste Pilz angedockt war.

Wie überall entwickelten sich aus politischen Bündnissen freundschaftliche Beziehungen – und umgekehrt. So wurde Schilling 2022 nicht nur Funktionärin der damals von den Eheleuten gegründeten Stiftung Común, sondern auch zu einer guten Freundin der deutlich älteren Veronika Bohrn Mena.

Laut den Bohrn Menas wurde das Verhältnis Anfang des heurigen Jahres arg in Mitleidenschaft gezogen, als ihnen von diversen Personen zu Ohren gekommen sei, welch schlimme Gerüchte Schilling über sie ventiliert habe. Als Muster von Schillings Erzählungen habe sich herauskristallisiert, dass Sebastian Bohrn Mena seine Frau schlage und das Paar in Bezug auf die Común-Stiftung "wie die Mafia" agiere.

Zur Unterlassung verpflichtet

Anfang April, bereits im EU-Wahlkampf, unterschrieb die Spitzenkandidatin der Grünen dann eine gerichtlich dokumentierte Unterlassungserklärung – juristisch formuliert einen "prätorischen Vergleich". Darin zu lesen: Schilling wird die besagten Behauptungen über die Bohrn Menas unterlassen, andernfalls wird ihr unmittelbar eine Geldbuße auferlegt.

Schillings Anwältin Maria Windhager* betont, dass die Unterlassungserklärung "kein Schuldeingeständnis" ihrer Mandantin gewesen sei. Schilling verpflichtete sich bloß, bestimmte Behauptungen in der Zukunft nicht zu tätigen – woraus sich aber per se nicht schließen lasse, dass sie diese in der Vergangenheit verbreitet hat und ob das allenfalls unzulässig war.

Öffentlich eskaliert

Die Unterlassungserklärung wurde jedenfalls im April über Umwege auch dem STANDARD bekannt und im Rahmen eines größeren Artikels zu Schilling thematisiert. Im Zuge der nachfolgenden Aufregung – angeheizt von einer schrillen Pressekonferenz der Grünen – wurde durch ein anderes Medium in die Öffentlichkeit getragen, dass es sich bei den Betroffenen um die Bohrn Menas handelt, die sich daraufhin vielfach publikumswirksam zur Causa äußerten.

Letzteres war auch deshalb möglich, weil in dem Gerichtsdokument eine von Schilling angeregte Verschwiegenheitsklausel nicht unterzeichnet wurde. Nach Angaben der Bohrn Menas waren die enthaltenen Bedingungen nicht annehmbar, zumal sie befürchteten, dass Schilling dieselben Gerüchte bereits an einen unüberschaubaren Personenkreis gestreut hatte, demgegenüber man dann die Unterlassungserklärung nicht erwähnen können hätte.

Die Stimmung zwischen den Grünen und den Bohrn Menas eskalierte im Sog des Wahlkampfs immer mehr, was nun eben in der Klagsverhandlung am Bezirksgericht gipfelt.

Am Freitag ist der erste Termin – eine vorbereitende Tagsatzung – anberaumt. Da wird die Richterin eingangs versuchen, die Möglichkeit eines Vergleichs zwischen beiden Seiten auszuloten. Das dürfte allerdings eher aussichtslos sein, wie Schillings Anwältin Windhager dem STANDARD sagte: "Ich kann mir momentan keinen Vergleich vorstellen, es ist von vorn bis hinten alles strittig."

Veronika Bohrn Mena sagte dem STANDARD, sie hoffe noch, dass Schilling ihre früheren "Lügen" einräumt und freiwillig zurücknimmt. In den vergangenen Wochen hatten die Bohrn Menas verlautbart, sie würden eine öffentliche Entschuldigung samt Begleichung ihrer Anwaltskosten akzeptieren.

Zeugen und Chats

Ohne Vergleich wird es voraussichtlich zu mehreren Prozessterminen kommen, zu denen beide Seiten zahlreiche Zeugen beantragen wollen. Auch jede Menge Chats dürften vorgelegt werden. Einige Knackpunkte des Verfahrens zeichnen sich bereits im Vorfeld ab.

Die Bohrn Menas und ihr Rechtsvertreter Peter Zöchbauer müssen zunächst den Nachweis erbringen, dass Schilling Gewaltvorwürfe tatsächlich in größerem Stil verbreitet hat – was in weiterer Konsequenz auch die mediale Berichterstattung befeuert habe. Schilling wird dagegenhalten: Sie habe sich nicht mit Vorwürfen an die Medien gewendet, sondern bloß in vertraulichen Gesprächen mit Freunden Vermutungen aufgebracht, das müsse erlaubt sein.

Fragliche Motive

Damit verbunden ist auch die strittige Frage, warum Schilling die Aussagen über eheliche Gewalt überhaupt kolportiert hat. Sie selbst argumentiert, sie habe sich auf Basis persönlicher Eindrücke ernsthafte Sorgen um Veronika Bohrn Mena gemacht und sich darüber mit Freundinnen und Freunden beraten wollen.

Die Bohrn Menas halten das für vorgeschoben: Schilling habe ihre Sorge aus der Luft gegriffen, sagen sie. Sie wollen das dem Vernehmen nach auch mit Zeugen aus Schillings ehemaligem Umfeld belegen – diese sollen erhärten, dass Schillings Ankündigungen, sich zu bestimmten Zeiten intensiv um die angeblich geschlagene Bohrn Mena kümmern zu müssen, nicht von einer fürsorglichen Intention geleitet waren, sondern mitunter der pragmatischen Umgehung anderweitiger privater Terminkollisionen diente.

Falsch behauptet oder zulässig gewertet

Einen weiteren Konfliktherd im Prozess dürfte die Común-Stiftung bilden, die sich der Förderung zivilgesellschaftlicher Projekte verschrieben hat – und übrigens erst diese Woche aus dem Millionenerbe von Marlene Engelhorn mit 100.000 Euro beschenkt wurde. Die Bohrn Menas wollen nicht auf sich sitzenlassen, dass Schilling gegenüber mehreren Personen unterstellt habe, das Paar agiere mit der Stiftung "wie die Mafia".

Schillings Anwältin Windhager kontert, dass es sich beim Mafia-Wording um ein zulässiges "Werturteil" handelt, wofür von vornherein kein Widerruf verlangt werden könne. Für ein Werturteil reiche zudem rechtlich gesehen selbst ein dünnes Tatsachensubstrat aus, das man nötigenfalls aufzeigen könne. Bohrn Menas Anwalt Zöchbauer erblickt im Mafia-Vorwurf hingegen eine völlig substanzlose kreditschädigende Behauptung. Zu diesem Punkt wird das Gericht wohl ebenfalls einige Zeugen beider Seiten hören.

Schilling nicht vor Ort

Zumindest eine erste Reihe an Zeuginnen und Zeugen dürfte schon am Freitag beim Prozessauftakt bekannt werden, dann sollen auch weitere Verhandlungstermine festgelegt werden. Schilling selbst sagte auf Puls 24, sie fände es "extrem gut", dass der Prozess beginne, weil der Sachverhalt nun in Ruhe vor Gericht verhandelt werde. Sie selbst werde beim ersten Termin nicht da sein, "das ist noch gar nicht gewünscht", meinte sie. Ob die Bohrn Menas vor Ort sein werden, ist derzeit noch offen.

DER STANDARD wird vom Verlauf des Prozesses berichten. (Theo Anders, 21.6.2024)