Anouk Aimée, 2019 in Cannes. Mit 92 Jahren starb sie am 18. Juni in Paris.
AFP/SEBASTIEN BERDA

Die 1932 als Nicole Françoise Florence Dreyfus in Paris geborenen Aktrice Anouk Aimée sprühte eine geheimnisvolle Eleganz aus. Ihr markantes Gesicht, das dichte schwarze Haar und die Katzenaugen waren wie gemacht für die noch vorwiegend in Schwarz-Weiß flimmernden Leinwände der frühen 1960er-Jahre. Anders als die gleichaltrige Audrey Hepburn, die ihr optisch wohl am ähnlichsten sah, war Aimée im europäischen Kino verankert und spielte dort mit den großen Regisseuren einer vergangenen Kinoära.

Zu ihrem Pseudonym Aimée, die Geliebte, kam sie durch den französischen Dichter Jacques Prévert, der Vorname Anouk geht auf ihre erste große Rolle in Das Haus unter dem Meer (1947) zurück. "Ich hatte diesen Namen ganz schnell verinnerlicht, und deshalb dachte ich, das sei ein einprägsames Pseudonym", sagte Aimée.

"La Dolce Vita"

Ihren internationalen Durchbruch hatte sie 1960 Federico Fellini zu verdanken, der sie einmal "die beste Schauspielerin der Welt" nannte. Bei ihm war sie immer die eine Frau, die dem gern in den Fetisch gleitenden Blick des Regisseurs standhielt. Sie war weder das blonde Busenwunder noch die Unschuld noch die dragqueenartig aufgeschminkte Prostituierte. In La Dolce Vita spielte Aimée die mysteriöse Maddalena, eine reiche, einsame Erbin im kleinen Schwarzen mit Sonnenbrille, und unbeständige Geliebte des Klatschreporters Marcello (Marcello Mastroianni). In Achteinhalb war Aimée die Ehefrau des Filmregisseurs im Film. Mit Kurzhaarschnitt und Brille war sie das weibliche Zentrum dieses Meisterwerks über ein männliches Künstler-Ego.

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Auch bei Jacques Demy hatte Aimée zwei große Auftritte. Einmal 1961 als Hafenmädchen Lola, einmal 1969 in Model Shop in Farbe: Eine Französin kurvt durch Los Angeles und gabelt einen jungen Mann auf, der kurz vor seinem Einzug nach Vietnam steht. Ein wunderbarer Film, ganz im Geiste New Hollywoods.

In gut 50 Jahren war Aimée viermal verheiratet und hat mehr als 50 Filme gedreht, überwiegend Liebesgeschichten. Ganz auf die Essenz reduziert war Claude Lelouchs Welterfolg Ein Mann und eine Frau, wofür sie 1966 eine Oscarnominierung und einen Golden Globe erhielt. Bis ins hohe Alter wurde Aimée geliebt: 2002 wurde sie für ihr Lebenswerk mit einem Ehren-César, dem französischen Filmpreis, ausgezeichnet. Am 18. Juni verstarb sie mit 92 Jahren in ihrer Heimatstadt Paris. (Valerie Dirk, 18.6.2024)