Das Bild, das Österreich am Montag beim EU-Umweltministerrat in Luxemburg abgab, erinnerte in seiner Peinlichkeit frappant an die Unterzeichnung des EU-Beitritts im Juni 1994 in Korfu. Auch damals konnte oder wollte man innerpolitische Streitigkeiten um die Frage, wer denn eigentlich zuständig sei, nicht vorab in Wien lösen. Stattdessen reiste der damalige Bundespräsident Thomas Klestil zum europäischen Gipfel, um sich deplatziert aufs Erinnerungsfoto zu zwängen – unterschrieben haben bekanntlich andere.

Als ob man in den letzten 30 Jahre nicht gelernt hätte, jetzt also die Wiederholung in Luxemburg. Zumindest blieb uns erspart, dass sich noch ein weiteres Mitglied der Bundesregierung auf den Weg zum EU-Ministerrat machte, um dort in den Raum zu stürmen und lautstark zu verkünden, er oder sie sei mehr befugt seine Stimme abzugeben als Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne).

Gewessler hinter Tisch und Sitzplatz, auf dem
Die grüne Ministerin Leonore Gewessler am Montag beim EU-Umweltrat in Luxemburg. Ihre Stimme für das Renaturierungsgesetz sorgt für Krach in der Koalition.
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Nehammer gibt eine Pressekonferenz, spricht in zwei Mikrofone
"Krasses Fehlverhalten" sieht Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) darin. Er gab in Brüssel sein Statement ab.
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Von dieser politischen Farce abgesehen, zeigen die Geschehnisse rund um die Renaturierung und davor bereits auch beim Klimaplan, dass die Regeln und Bestimmungen, wie Österreich zu einer gemeinsamen innerstaatlichen Entscheidungsfindung bei strittigen EU-Dossiers kommt, höchst reformbedürftig sind.

Drei Ministerien

Die sogenannte EU-Koordinierung ist aktuell zwischen gleich drei Ministerien verteilt. Ursprünglich kam diese Aufgabe Außenminister Alexander Schallenberg und Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (beide ÖVP) zu, seit der letzten großen Regierungsumbildung 2022 ist aber auch der grüne Vizekanzler Werner Kogler dafür zuständig. Fragt man bei Menschen nach, deren Tagesgeschäft diese EU-Koordinierung ist, weiß niemand so wirklich, worin Koglers Tätigkeit hier besteht.

Warum es auf dieser Ebene in den letzten Jahren – und so lange steht die EU-Renaturierungsverordnung schon auf der Tagesordnung – nicht gelungen ist, ein Einvernehmen zumindest zwischen dem eigentlich zuständigen Umweltministerium und den thematisch ebenfalls betroffenen ÖVP-Ministerien Landwirtschaft und Finanzen herzustellen, liegt im Dunkel türkis-grüner Streitigkeiten. Verschärft durch offensichtlich persönliche Animositäten der handelnden Personen.

Klarheit und Transparenz

Zu all diesen Problemen kam im vorliegenden Fall dann auch noch der Föderalismus Österreichs. Denn nicht nur zwischen den betroffenen Ministerien wäre Einvernehmen herzustellen gewesen, sondern auch auf die Befindlichkeiten der österreichischen Bundesländer Rücksicht zu nehmen. Diese haben bekanntlich durch eine bindende Stellungnahme gemäß Artikel 23d Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) den Spielraum des Bundes auf EU-Ebene weiter eingeschränkt. Wie und wo diese Stellungnahme zustande kommt und auch die Frage, wie sie etwa den geänderten Verhandlungsergebnissen auf EU-Ebene angepasst werden kann, war Teil der letztwöchigen Diskussionen.

Hier scheint jedenfalls Reformbedarf angebracht, was Klarheit und Transparenz angeht. Weder die Artikel-15a-Vereinbarung über die Mitwirkungsrechte der Länder in EU-Fragen aus dem Jahr 1992 noch die aus demselben Jahr stammende Vereinbarung über die gemeinsame Willensbildung der Länder in EU-Angelegenheiten ist noch zeitgemäß. Und von der Möglichkeit des Artikels 23d B-VG, die Verhandlungen auf EU-Ebene gleich durch ein Mitglied einer Landesregierung – und nicht durch eine Bundesministerin – führen zu lassen (inklusive Stimmabgabe), wurde in den letzten 30 Jahren überhaupt noch nie Gebrauch gemacht.

Es wäre jedenfalls höchst an der Zeit, die innerstaatliche Entscheidungsfindung in EU-Fragen auf neue, tragfähige Beine zu stellen. Korfu und Luxemburg sollten Anreiz genug sein, sich nicht noch einmal auf offener Bühne zu blamieren. (Stefan Brocza, 19.6.2024)