Wladimir Putin besucht Verbündete – und solche, die es nach Moskauer Sicht vielleicht werden sollen. Zu Zweiteren zählt Putins Reiseziel Vietnam, wo er ab Mittwoch erwartet wird. Nordkorea, wo er schon am Dienstag eintraf, gehört mittlerweile schon klar zur ersten Gruppe. Das international geächtete Regime, dessen Volk soeben aus einer von mehreren Hungersnöten in diesem Jahrhundert ins normale Leben zurückfindet, ist für dem Kreml zu einem vielgeachteten Waffenlieferanten geworden. Vor seinem Besuch hat der russische Präsident Nordkorea zudem offen für seine Unterstützung bei der "militärischen Spezialoperation in der Ukraine" gedankt.

G7-Länder: Nordkorea testet mehr Raketen für Lieferung an Russland
AFP

Für Pjöngjang, das auf Devisen dringend angewiesen ist, ist das ein gutes Geschäft. Das gestärkte Selbstvertrauen des Landes spiegelt sich auch in seinem Verhalten gegenüber dem südkoreanischen Nachbarn wider.

Verletzte bei Zwischenfall

Zuletzt hat sich auch die Lage gegenüber Südkorea noch einmal deutlich angespannt. Beim vermutlichen Abbau einer Bahnlinie zwischen Nord und Süd kam es kurz vor Putins Besuch am Dienstag zu einem Zwischenfall, als nordkoreanische Soldaten wohl versehentlich die Grenze zum Süden übertraten. Sie wurden zurückgedrängt, bei einer Explosion im Gebiet zwischen den beiden Staaten – dem dichtestverminten der Welt – soll es aber Verletzte gegeben haben. In Moskau sieht man derlei Eskalationen vielleicht nicht ungern. Südkorea gilt, wenn auch über Umwege, als wichtiger Lieferant von Artilleriemunition für die Ukraine.

In Reaktion auf die Flugblätter aus Südkorea ließ das Kim-Regime Luftballons mit Unrat und Kot in Richtung Süden steigen, mit dem Hinweis, in Seoul werde man nun schon sehen, wie viel Arbeit es mache, solchen Mist immer wieder wegräumen zu müssen. Darüber hinaus steigt die Gefahr ernsthafter Eskalationen.

Umbauarbeiten trotz häufiger Minenexplosionen sind laut südkoreanischem Militär auf der nordkoreanischen Seite der Grenze zu beobachten.
EPA/South Korea's Joint Chiefs o

Pjöngjang erhofft sich von Moskau umgekehrt selbst moderne Militärtechnik und Lebensmittellieferungen. Putin versprach die Entwicklung "alternativer Handelsmechanismen", die "nicht vom Westen kontrolliert werden". Zudem passt das Bündnis auch zu einem ohnehin schon bestehenden Trend: Die Aggressivität des Staates war nach der Ruhephase rund um die Verhandlungen mit Donald Trump in den später 2010er-Jahren zuletzt ohnehin wieder gestiegen, ebenso die Tests immer weiter entwickelter Waffen, vor allem Erprobungen immer neuer Raketen. Einzig der Verzicht auf Atomtests hielt bisher. Dass Diktator Kim Jong-un aber weiter nuklear aufrüstet, gilt als unumstritten.

Bevorzugter Partner Putin

Eine Festnahme und Auslieferung an den internationalen Strafgerichtshof in Den Haag muss Putin weder in Nordkorea noch in Vietnam fürchten, wohin er am Mittwoch weiterreist. Der staatliche Rundfunk Voice of Vietnam zitierte vorab Vietnams Präsidenten To Lam. Er sagte, Vietnam betrachte Russland als einen bevorzugten und zuverlässigen Partner in der Außenpolitik. To Lam nannte ausdrücklich auch den militärischen Sektor als einen, in dem die Beziehungen vertieft werden könnten. Russland bildet Vietnams Marine aus und beliefert das südostasiatische Land auch mit Marinetechnik. Wegen Konflikten mit China um Inseln und Fischereirechte im Südchinesischen Meer ist Vietnam darauf angewiesen. Freilich ist das ein Drahtseilakt. Vietnam kauft wegen der Streitigkeiten mit China auch Waffen aus den USA. Russland hat umgekehrt gerade erst wieder seine unverbrüchliche Allianz mit China bekundet.

Vor seiner Landung in Nordkorea besuchte Russlands Präsident Wladimir Putin auch den Fernen Osten seines eigenen Landes. Zwischenstopp machte er in Jakuzk.
IMAGO/Sergei Karpukhin

Über inoffizielle vietnamesischsprachige Quellen wird kolportiert, Russland strebe nach einem Marinestützpunkt in Vietnam, möglicherweise der von den USA 1975 aufgegebenen Basis Cam Ranh in Zentralvietnam, von der aus die US-Armee damals ihre Bombenflüge startete. 1979 pachtete die Sowjetunion das verlassene Areal für 25 Jahre. Russland gab es 2002 aus Kostengründen auf.

Exportgut Killerspione

Diplomatisch hat man sich längst angenähert. Im März 2022 enthielt sich Vietnam noch bei der UN-Resolution, die den Einmarsch Russlands in die Ukraine verurteilte. Später gehörte man in der Uno zu den nur 24 Staaten, die gegen den Ausschluss Russlands aus dem Menschenrechtsrat stimmten. Wirtschaftlich wachsen die Beziehungen jedenfalls, Handel und Tourismus haben sich seit Beginn des Ukrainekriegs deutlich erhöht.

Im Vorfeld des Putin-Besuchs in Vietnam werden in Hanoi auch Lenin-Statuen schickgemacht.
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Noch besorgniserregender ist aus westlicher Sicht eine weitere Sparte der möglichen russisch-vietnamesischen Zusammenarbeit. Das in Berlin erscheinende vietnamesischsprachige Exilmedium Thoibao.de berichtet exklusiv über streng geheime Vorbereitungen Vietnams, eine 100 Mann starke Geheimdienstgruppe aufzubauen, die Jagd auf abtrünnige vietnamesische Funktionäre und Dissidenten im Ausland machen soll. Russland hat mit solchen Geheimdienstaktionen im Ausland weitaus mehr Erfahrung.

Das Weiße Haus zeigte sich besorgt über die Vertiefung der Beziehungen zwischen Russland und Nordkorea. Ein Sprecher der US-Botschaft in Hanoi kritisierte zudem, dass Vietnam mit seiner Einladung Putin eine Plattform biete, den Angriffskrieg in der Ukraine voranzutreiben. (Marina Mai, Manuel Escher, 18.6.2024)