Um ein helles Zentrum wabert eine dichte Gaswolke in Scheibenform, weitere helle Objekte, die weiß, gelb oder blau leuchten, befinden sich in unmittelbarer Nähe.
Die Galaxie SDSS1335+0728 wurde Ende 2019 plötzlich sehr hell: Diese künstlerische Darstellung zeigt, wie scheibenförmig rund um das massive Schwarze Loch immer mehr Material und Gas in Richtung des Schwarzen Lochs gezogen wird.
ESO/M. Kornmesser

Schwarze Löcher zählen zu den faszinierendsten Elementen im Universums – schon allein deshalb, weil sie die Vorstellungskraft vieler Menschen sprengen. Auf winzigem Raum sammelt sich eine gigantische Masse. Nichts, was den sogenannten Ereignishorizont eines Schwarzen Lochs übertritt, kann je wieder zurückkommen und uns Informationen über das Innenleben liefern – und Objekte können "spaghettifiziert" werden.

Das inspiriert die Forschung und Wissenschaftsvermittlung. Erst vor wenigen Jahren wurden die ersten Nahaufnahmen von Ereignishorizonten erstellt und veröffentlicht. Die US-amerikanische Weltraumorganisation Nasa zeigte in einer Simulation, was passiert, wenn eine Kamera in ein Schwarzes Loch fallen würde (vor ihrer Zerstörung). Und ein Astrophysiker stellte sich die Frage, ob die Erde mit einem Schwarzen Loch von der Größe eines Atoms kollidieren könnte und was die Folgen wären.

Wie es aussieht, wenn ein Schwarzes Loch erwacht, erklärt nun ein Forschungsteam anhand eines aktuellen Ereignisses – jedenfalls in astronomischen Skalen, denn es wurde bereits im Dezember 2019 beobachtet. "Stellen Sie sich vor, Sie beobachten seit Jahren eine weit entfernte Galaxie, die immer ruhig und inaktiv zu sein schien", sagt Paula Sánchez Sáez von der Europäischen Südsternwarte Eso. Doch plötzlich fängt der Kern der Galaxie an, hell zu leuchten, "anders als alle typischen Ereignisse, die wir bisher gesehen haben", betont die Astronomin. Dies geschah 2019 mit der bis dahin eher unscheinbaren Galaxie SDSS1335+0728.

Massereiches Schwarzes Loch

Beobachtet haben Sánchez Sáez und ihr Team dieses Ereignis zunächst mit einem Teleskop der Zwicky Transient Facility (ZTF) im US-Bundesstaat Kalifornien, benannt nach dem Schweizer Astronom Fritz Zwicky, und dann unter anderem mit dem Very Large Telescope (VLT) der Eso in Chile. Wie die Expertinnen und Experten im Fachmagazin Astronomy & Astrophysics ausführen, dürfte es sich dabei um das plötzliche Erwachen eines Schwarzen Lochs im Zentrum dieser Galaxie handeln. Etwas Derartiges wurde bisher noch nie zuvor in einer Galaxie beobachtet, wie es in einer Aussendung der Eso heißt.

Zooming into the galaxy SDSS1335+0728 and its newly awakened black hole
So sieht es aus, wenn man im Nachthimmel in Richtung der analysierten Galaxie hineinzoomt.
European Southern Observatory (ESO)

Auch im Zentrum unserer Galaxie, der Milchstraße, befindet sich ein Schwarzes Loch, das Sagittarius A* (kurz Sgr A*) genannt wird. Es ist knappe 27.000 Lichtjahre von uns entfernt, sein Ereignishorizont hat einen Durchmesser von knapp 25 Millionen Kilometer und hat ungefähr die Masse von vier Millionen Sonnen.

Schlafendes Monster

"Diese riesigen Monster schlafen normalerweise und sind nicht direkt sichtbar", sagt Co-Autor Claudio Ricci von der Universität Diego Portales in Santiago de Chile und der Universität Peking in China. Die nun beobachtete Galaxie befindet sich in 300 Millionen Lichtjahren Entfernung im Sternbild Jungfrau, ihr Licht braucht genauso lang zu uns, wir blicken also in ihre 300 Millionen Jahre zurückliegende Vergangenheit. Bei ihr "konnten wir das Erwachen des massereichen Schwarzen Lochs beobachten, das plötzlich anfing, das Gas aus seiner Umgebung zu fressen". Dies dürfte für den rasanten Helligkeitsanstieg sorgen.

Noch heute, vier Jahre nach dem Aufleuchten, "strahlt" SDSS1335+0728 heller als zuvor. Damit unterscheidet sie sich von üblichen Helligkeitsschwankungen, die nicht länger als ein paar Hundert Tage dauern. Entsprechend passen anderen Erklärungen nicht so gut: Bei einem kürzeren Hellerwerden könnte man annehmen, dass eine Supernova explodierte oder ein Stern in der Nähe eines Schwarzen Lochs auseinandergerissen wurde – im Zuge eines (in diesem Fall ungewöhnlich langsamen) Gezeiten-Sternzerrissereignisses. Solche alternativen Erklärungen müssen aber durch weitere Beobachtungen erst noch ausgeschlossen werden, halten die Fachleute fest.

Das mutmaßlich erwachende Schwarze Loch gibt nicht nur mehr Licht im für uns sichtbaren Bereich ab, sondern auch im ultravioletten und infraroten Bereich des Spektrums. Seit Februar 2024 kommen zusätzlich Röntgenstrahlen aus dieser Galaxie hinzu – ein Verhalten, das die Astrophysikerin Sánchez Sáez als "nie dagewesen" bezeichnet.

Zukunft der Milchstraße?

Zwar gab es bereits Berichte über inaktive Galaxien, die wieder aktiv geworden sind, doch nun konnte das Erwachen eines Schwarzen Lochs – die naheliegendste Erklärung für das Phänomen – erstmals in Echtzeit beobachtet werden. Entsprechend wurde das Zentrum dieser Galaxie als "aktiver Galaxienkern" (AGN) klassifiziert.

"Das ist etwas, das auch mit unserem eigenen Schwarzen Loch im Zentrum unserer Galaxie, Sgr A*, passieren könnte", sagt Astronom Ricci. Wie wahrscheinlich ein solches Ereignis ist und was die genauen Folgen wären, ist derzeit kaum zu prognostizieren. Die ferne Galaxie liefere jedenfalls "wertvolle Informationen darüber, wie Schwarze Löcher wachsen und sich entwickeln", sagt Sánchez Sáez. Ein weiteres Beispiel dafür, dass der Forschung an Schwarzen Löchern in absehbarer Zukunft ihr Stoff nicht ausgehen wird. (Julia Sica, 18.6.2024)