Kylian Mbappé sitzt am Spielfeldrand und hält sich die gebrochene Nase.
Kylian Mbappé, der Kapitän des französischen Teams, hat sich bei einem Kopfballversuch die Nase gebrochen. Ob und wie er bei der EM noch einsetzbar ist, bleibt vorerst unklar.
AP/Andreea Alexandru

Es geschah in der 89. Minute. Österreich hat, trotz Eigentor, ein wirklich gutes Spiel gegen die Franzosen hingelegt, als es zum Schockmoment kommt: Der französische Kapitän Kylian Mbappé und der österreichische Verteidiger Kevin Danso stoßen bei einem Kopfballduell zusammen, Luftduell, Dansos Schulter ist härter als Mbappés Nase, die Nase bricht. Als Tiefpunkt des Abends bezeichnet der französische Teamchef Didier Deschamps den Unfall in einem Pressestatement nach dem Spiel. Auch Mbappés Teamkollegen, allen voran Olivier Giroud, wirken gedämpft. Man wisse einfach nicht, ob der Kapitän am Freitag gegen die Niederlande antreten könne, sagt der Mittelstürmer.

Doch wie kommt es überhaupt zu so einem Bruch? Und was bedeutet er für die weitere EM-Teilnahme des Stars von "Les Bleus"? Die Nase ist zwar gebrochen, aber nach derzeitigem Stand muss sie nicht operiert werden, wurde nach ersten Untersuchungen im Krankenhaus in Düsseldorf bekanntgegeben. Ob hier das letzte Wort schon gesprochen ist, bleibt abzuwarten.

100 Kilo Stoßkraft

Prinzipiell ist eine gebrochene Nase eine häufige Verletzung im Fußball, typisch vor allem für kopfballstarke Spieler, erklärt Wolf Dieter Baumgartner, Professor für Hals-, Nasen-, Ohrenkrankheiten an der Med-Uni und am AKH Wien: "In dem Fall ist Mbappé gegen die Schulter mit angespanntem Muskel gestoßen, da entsteht eine Stoßenergie von bis zu 100 Kilo, das hält keine Nase aus." So ein Zusammenstoß sei ähnlich einem Boxschlag, den man mit voller Wucht auf die Nase bekommt.

Kylian Mbappé stößt mit der Nase an die Schulter von Kevin Danso.
Bis zu 100 Kilogramm Stoßkraft entstehen bei einem Zusammenstoß wie dem von Mbappé und Danso. Das hält keine Nase aus.
AFP/KENZO TRIBOUILLARD

Es handelt sich offenbar um einen geschlossenen Bruch, zumindest habe es auf den Bildern so gewirkt, auch wenn viel Blut geflossen sei. "Die Nasenschleimhaut ist extrem gut durchblutet, deshalb sieht das so wild aus. Aber man verliert dabei nicht mehr als ein gutes Stamperl Blut", sagt Baumgartner. Entscheidend ist nun, ob die Nase verschoben ist oder nicht.

Da keine Operation nötig zu sein scheint, geht der Experte davon aus, dass die Nase nicht verschoben ist, sonst müsste man operieren – denn bei einer Verschiebung ist immer auch der Luftstrom beeinträchtigt. Das könnte sich aber noch ändern. "Falls das Septum, also die Nasenscheidewand, gebrochen ist, kann es in den nächsten Tagen noch einbluten, dann ist auf jeden Fall ein Eingriff nötig." Bei einem derart heftigen Zusammenstoß könnten außerdem Augenhöhle und Jochbein in Mitleidenschaft gezogen worden sein, auch eine Gehirnerschütterung ist möglich.

Nasentropfen auf der Dopingliste

Und es gibt noch ein sehr relevantes Problem: Die Nasenschleimhaut schwillt bei so einem Unfall extrem an, das schränkt die Atmung ein. "Herr Mbappé wird abschwellende Nasentropfen brauchen. Die enthalten aber alle Ephedrin, und das steht auf der Dopingliste", weiß Baumgartner. Es sei eine Gratwanderung zwischen bestmöglicher medizinischer Behandlung und dem Einhalten der Antidopingregeln. "Mbappé bekommt deshalb womöglich eine schlechtere Versorgung, als es möglich wäre." Eis, Eis und noch einmal Eis ist daher das wichtigste Mittel, um die Schwellung abklingen zu lassen, das ist pharmakologisch unbedenklich.

Es könnte also sein, dass Mbappé am Freitag gegen die Niederlande nicht antreten wird – oder er kommt erst in der zweiten Spielhälfte aufs Feld, spekuliert Baumgartner. "Auf jeden Fall braucht er aber eine Nasenschiene. Wenn sich jetzt nur eine ganz kleine Kleinigkeit verschiebt, ist die Europameisterschaft für ihn vorbei." Ohnehin wird ihn die Schiene beeinträchtigen: "Das kann man auch als Topspieler nicht steuern, das Kleinhirn weiß von der Verletzung und macht einen unbewusst zurückhaltender."

Ganz abgesehen davon stellt sich die Frage, ob Mbappé genug Luft bekommt, um zu spielen. Die Nasenatmung ist ja durch die Schwellung beeinträchtigt. "Je kühler und feuchter die Luft ist, desto besser ist es für ihn." Wenn die Ärzte ihr Okay geben, wäre es für Mbappé aber möglich zu spielen, sagt HNO-Facharzt Baumgartner – auch wenn die Heilung so einer Verletzung üblicherweise rund zwei Wochen dauert. "Er ist ein Profi, die gesamte Mannschaft ist topmotiviert, und er weiß, was er sich zutrauen kann. Ich wünsche ihm auf jeden Fall alles Gute." (Pia Kruckenhauser, 18.6.2024)