Die ehemalige Grünen-Chefin Madeleine Petrovic. 
Fiel während der Corona-Pandemie vor allem mit Impfkritik auf: Madeleine Petrovic.
APA/FLORIAN WIESER

Die Nationalratswahlliste von Madeleine Petrovic nimmt allmählich Formen an. Am Dienstagvormittag trat die ehemalige Galionsfigur der Grünen erstmals mit einem neuen Gesicht vor die Medien: Harald Haas. Haas stellte sich als ausgebildeter Politologe und Psychologe vor, sprach im Laufe der Pressekonferenz recht ausschweifend über Sicherheit und Neutralität. Was Haas aber ausließ: Der Hofrat des Heeresministeriums ist auch Wissenschafter an der Landesverteidigungsakademie in Wien. Dass er seinen Beamtenjob ausließ, passierte ihm wohl nicht zufällig.

Haas hatte nämlich heuer im Frühjahr einen Text in der Zeitschrift für Sozialpsychologie und Gruppendynamik veröffentlicht, der im ÖVP-geführten Verteidigungsministerium für Kopfschütteln gesorgt hatte. Darin legt Haas auf 25 Seiten seine Gedanken zum Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine offen. Wie die Stadtzeitung Falter im März berichtete, strotzt der Text aber nur so vor Pro-Russland-Attitüden.

Das "Augenmaß" des Wladimir Putin

Russlands Präsidenten Wladimir Putin etwa attestiert Haas darin "Leidenschaft, Verantwortungsgefühl und Augenmaß", der Europäischen Union hingegen Aggression. Die meisten Mitgliedsstaaten und Brüssel würden seit Beginn des Krieges in der Ukraine "mit Macht und Gewalt" versuchen, Russland zu schaden, heißt es da. Die Nato-Allianz bezeichnet Haas gar als "mutmaßlich verbrecherisches Kriegsbündnis".

Das passt zum Tenor der Pressekonferenz: Da sprach sich Haas für eine Stärkung der Neutralität Österreichs aus, damit "unsere Kinder nicht irgendwann einmal für die Interessen der USA sterben". Die USA hält Haas in seinem Text wiederum ohnehin für die größte Gefahr der Weltsicherheit und der Sicherheit Europas – jedenfalls nicht Russland.

Krieg als "Spezialoperation"

Den Angriffskrieg Russlands bezeichnet Haas in seinem Text bloß als "Intervention", als "Spezialoperation", die vom Westen provoziert worden sei. In die gleiche Kerbe schlägt die nunmehrige Aussage des Politologen bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit Petrovic, wonach der "jetzige Konflikt" und "das Massensterben" vermeidbar gewesen wären, hätte sich die Ukraine zu einem neutralen Staat geformt und zu einer "neutralen Lösung" bekannt.

Oberst Michael Bauer, Sprecher des Verteidigungsministeriums, fand Haas' Analyse in der Zeitschrift "verrückt" und "absurd". Haas mag den Text zwar als "Privatperson" verfasst haben, sagte Bauer dem Falter, allerdings habe Haas verbotenerweise auf seine Funktion in der Akademie verwiesen. Der Inhalt auf den 25 Seiten sei jedenfalls nicht die Ministeriumsposition. Haas selbst gab an, er habe bloß "die andere Seite des Konflikts" beleuchten wollen.

Vielleicht ließ Haas seinen Beamtenjob bei der Bekanntgabe seiner Kandidatur deshalb nun bewusst aus. Überhaupt will der Wissenschafter bisher nur Kolleginnen und Kollegen von seinem Antreten erzählt haben.

Für das Verteidigungsressort ist die Kandidatur an sich aber kein Problem, sagt Ministeriumssprecher Michael Bauer zum STANDARD. Sie widerspreche jedenfalls nicht dem Beamtenethos. Haas müsste die Kandidatur auch nicht melden. Das ist erst der Fall, wenn er tatsächlich ein Mandat erreichen und dieses annehmen sollte. Ein Platz im Nationalrat sei dann als Nebenbeschäftigung zu werten. Beantragen müsse Haas aber eine Dienstfreistellung für die Tage, die er für den bevorstehenden Nationalratswahlkampf benötige. (Jan Michael Marchart, 18.6.2024)