Zu sehen ist der russische Sänger Shaman
Putins Lieblingssänger Shaman, der patriotische Sieges- und Liebeslieder darbietet, in einem Videostill.
Youtube

Eigentlich ist Jaroslaw Jurjewitsch Dronow ein eher durchschnittlicher Musiker. Doch seitdem er des Kremls Lied singt und 2020 den Künstlernamen Shaman annahm, gilt er als der Shootingstar am russischen Pophimmel. Bekannt wurde er durch den patriotischen Song Wir erheben uns, den er am 23. Februar 2022 veröffentlichte, dem "Tag des Verteidigers des Vaterlandes" in Russland. Nur Stunden später begann die Invasion in die Ukraine. Gewidmet ist der Song den gefallenen russischen Soldaten im "Großen Vaterländischen Krieg", wie der Zweite Weltkrieg in Russland genannt wird. 46 Millionen Aufrufe erreichte das Lied auf Youtube, der staatliche Fernsehsender Rossija-1 strahlte den Song aus.

Im Interview sagt Shaman, er sei der Meinung, das Lied sei ihm "von oben diktiert" worden – was auch immer "oben" bedeutet. Geboren 1991 in Nowomoskowsk, 200 Kilometer südlich von Moskau, absolvierte Shaman die Musikhochschule in Moskau und machte sich dann auf, die Karriereleiter zu erklimmen. 2014 kam er auf Platz zwei der russischen Version der TV-Show The Voice. Dann der kometenhafte Aufstieg mit patriotischen Texten. Shaman wurde in einer Umfrage des staatlichen russischen Meinungsforschungsinstituts WZIOM zum zweitbesten russischen Sänger des Jahres 2022 gewählt. Besonders gut, so die Umfragewerte, kommt er bei Frauen an.

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Shamans wohl bekanntester Song ist das Lied Ich bin Russe, längst eine Art Hymne in der neuen russischen Popmusik. 50 Millionen Klicks auf Youtube, Auftritte in allen populären Fernsehshows. Der Song kommt an, auch im Kreml. Das Onlineportal lenta.run zitiert Kreml-Sprecher Dmitri Peskow: Texte wie die von Shaman seien wichtig, "um den patriotischen Geist zu stärken."

In Russland ist "Z-Pop", benannt nach dem Kriegssymbol "Z", ein neues popkulturelles Phänomen. "Im Endeffekt lässt sich Z-Pop auf vier Grundprinzipien herunterbrechen", bewertet das Onlineportal Dekoder Russlands neue Musik: "Einfache Botschaften und Wiederholungen, hohe Emotionalität, zielgruppenspezifische Ausrichtung und die Nutzung sozialer Netzwerke." Z-Pop begann 2014 mit dem Beginn des Krieges in der Ostukraine. Mein Putin performte die Sängerin Mashany. Präsident Putin sei der Retter der Ukraine und der Beschützer Russlands. Andere Künstler folgten. Auch der Chanson- und Softrock-Sänger Grigori Leps, dessen Songs in fast jeder russischen Karaoke-Bar zum Standard gehören, baute sein Repertoire um. In seinem Song Mutterland heißt es: „Das Mutterland ruft – lass es nicht im Stich! Für dich erhebe ich mich, Mutter Russland!

Zu sehen ist der Sänger Shaman am Mikrofon vor hinter ihm stehenden russischen Honoratioren.
Videostill eines Z-Pop-Konzerts des russischen Sängers Shaman (Mitte) vor treuen Honoratioren.
Youtube

Manchmal allerdings kommt es auch zu Irritationen. Shaman veröffentlichte ein Video mit dem Titel Alive und widmete es "allen, die für die Wahrheit gelitten haben". Im Video tritt Shaman als gefesselter Gefangener auf, der aus einer Gefängniszelle zum Schafott geführt wird. Am Ende des Videos erscheint ein "auferstandener" Shaman ganz in Weiß. In der Beschreibung heißt es: "Diese Geschichte könnte in der fernen Vergangenheit oder irgendwann in der Zukunft passieren. Oder vielleicht passiert sie gerade jetzt."

Wollte Shaman etwa den später im Straflager verstorbenen Kreml-Kritiker Alexei Nawalny unterstützen, wie manche im Netz vermuteten? Blogger in den sozialen Netzwerken bemerkten, dass das Video genau zum dritten Jahrestag von Nawalnys Verhaftung veröffentlicht wurde. Auch die Textzeile "Ich bin mit einem Sieg nach Hause zurückgekehrt" machte neugierig. Schließlich war Nawalny mit einem Flugzeug der Airline Pobeda, zu Deutsch: "Sieg", nach Moskau zurückgekehrt. Shaman musste dementieren: "Einfacher Unsinn! Sie haben sich alles aus der Nase gezogen und es über ihre Telegramkanäle verbreitet."

SHAMAN - ЖИВОЙ (музыка и слова: SHAMAN)
SHAMAN

Kritische Töne in der russischen Pop- und Rockmusik gibt es kaum noch. Längst schon im Ausland lebt die schrille Punk-Band Pussy Riot. Juri Schewtschuk, der Sänger der bekannten Rockband DDT, ist in Russland geblieben. Er wurde wegen "Diskreditierung der Armee" zu einer Geldstrafe verurteilt. Schewtschuk sagte in einem Video: "Jetzt töten Menschen Menschen – eine riesige Tragödie." Und bei einem Konzert in der russischen Stadt Ufa: "Das Vaterland, meine Freunde, ist nicht der Arsch des Präsidenten, der ständig geküsst und getröstet werden muss. Das Vaterland ist die bettelnde Oma am Bahnhof, die versucht, Kartoffeln zu verkaufen. Das ist das Vaterland." Laut Medienberichten applaudierte das Publikum.

Udo Lindenberg - UTube

Die nach wie vor sehr beliebte Sängerin Alla Pugatschowa lebt heute in Israel. Pugatschowa wünscht sich "ein Ende des Sterbens unserer Jungs für illusorische Ziele, die unser Land zum Paria machen und das Leben unserer Bürger erschweren". Gemeinsam mit Udo Lindenberg sang Alla Pugatschowa einst vor begeistertem Publikum in Moskau den Antikriegssong Wozu sind Kriege da?. Auf Deutsch und auf Russisch. Das war 1985. Eine ganz andere Zeit. (Jo Angerer, 18.6.2024)