Der griechischen Küstenwache werden seit Jahren Pushbacks vorgeworfen.
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Einem Artikel der BBC zufolge hat die griechische Küstenwache den Tod von mehreren Migranten verursacht – neun von ihnen seien von der Küstenwache ins Mittelmeer geworfen worden. Berichte darüber, dass von griechischer Seite systematisch Pushbacks zurück in Richtung Türkei durchgeführt werden – also die asylrechtlich verbotene Zurückweisung von Schutzsuchenden –, gibt es bereits seit Jahren. Die BBC verweist aber darauf, dass sie erstmals die Anzahl der Zwischenfälle über einen längeren Zeitraum errechnet und dafür mit zahlreichen Augenzeugen geredet habe.

Dem Bericht zufolge geht es um 15 menschenrechtlich bedenkliche Zwischenfälle zwischen 2020 und 2023, die 43 Todesfälle zur Folge hatten. Die ersten Quellen dafür waren lokale Medien, NGOs und die türkische Küstenwache. In vier dieser Fälle konnte die BBC mit Augenzeugen sprechen.

Maskierte Polizisten

Zitiert wird etwa ein Kameruner, der eigenen Aussagen zufolge im September 2021 auf der griechischen Insel Samos ankam und dort Asyl beantragen wollte. "Wir waren kaum angekommen, da kam schon die Polizei von hinten – zwei Polizisten in Schwarz gekleidet, drei weitere in Zivilkleidung. Sie waren alle maskiert, man konnte nur ihre Augen sehen."

Proteste am Freitag in Athen, wo an die Opfer des Schiffsunglücks vor einem Jahr erinnert wurde.
AP/Petros Giannakouris

Dann, so der Kameruner, seien er, ein Landsmann sowie ein Mann aus Côte d'Ivoire zu einem Schiff der griechischen Küstenwache gebracht worden, wo sie auf offenem Meer der Reihe nach ins Wasser geworfen wurden – ohne Rettungsweste. Er selbst konnte wieder an die Küste schwimmen, die anderen beiden aber ertranken. Die Leichen von Sidy Keita und Didier Martial Kouamou Nana wurden später von der türkischen Küstenwache geborgen.

Gefesselt ins Meer geworfen

In einem anderen Fall erzählt ein Somalier der BBC, dass er im März 2021 auf Chios von der griechischen Armee festgenommen und an die Küstenwache übergeben worden sei. Er und andere seien gefesselt und dann ins Meer geworfen worden. "Sie wollten, dass ich sterbe", sagt er. Er habe es nur lebend an die Küste geschafft, weil er eine Hand frei bekam. Drei andere Gefesselte hingegen ertranken.

In einem Statement an die BBC weist die griechische Küstenwache alle Vorwürfe zurück, die alles andere als neu sind. Im Mai 2023 etwa konnte der österreichische Menschenrechtsaktivist Fayad Mulla auf der Insel Lesbos filmen, wie Asylsuchende – darunter ein Baby und mehrere Kinder – festgenommen, an die türkische Seegrenze gebracht und dort auf aufblasbaren Rettungsinseln ausgesetzt wurden.

Leichen geborgen

Oft werden die Ausgesetzten von der türkischen Küstenwache aufgenommen. In manchen Fällen endet das aber auch tödlich, so wie am 13. September 2022, als laut türkischem Innenministerium die Leichen von vier Kindern und einer Frau aus dem Wasser unweit einer halb überfluteten Rettungsinsel geborgen wurden.

Die BBC hat die Videoaufnahmen von Mulla nun Dimitris Baltakos gezeigt, einst Leiter für Spezialoperationen der griechischen Küstenwache. Sein Kommentar dazu: "Es ist sehr eindeutig, nicht wahr? Das ist keine Atomphysik. Ich weiß nicht, weshalb sie das bei Tageslicht gemacht haben, es ist offensichtlich illegal. Es ist ein internationales Verbrechen." Aus der griechischen Regierung hieß es dazu gegenüber der BBC, die Aufnahmen würden von unabhängiger Stelle überprüft.

Erst am Freitag demonstrierten hunderte Menschen in Athen am Jahrestag eines größeren Schiffsunglücks. Am 14. Juni 2023 war ein Schiff in internationalen Gewässern zwischen Griechenland und Italien untergegangen. 104 Menschen konnten gerettet werden, bis zu 600 starben aber.

Ursache weiter unklar

Kritik gab es an der griechischen Küstenwache, der vorgeworfen wurde, die Menschen auf dem Schiff vorab nicht gerettet zu haben. Die Beamten gaben an, mehrfach Hilfe angeboten zu haben, die aber abgelehnt worden sei mit dem Hinweis, man wolle nach Italien. Mit Zwang habe die Küstenwache das Schiff nicht ins Schlepptau nehmen wollen, hieß es – aus Angst, dass an Bord Panik ausbrechen könnte.

In diesem Punkt gab es jedoch anschließend widersprüchliche Augenzeugenberichte: Manchen Zeugen zufolge nahm die Küstenwache das Boot doch ins Schlepptau, woraufhin Panik ausbrach und der Kutter kippte. Anderen zufolge brach die Panik an Bord ohne das Zutun der Küstenwache aus.

Eine Untersuchung der Rolle der griechischen Küstenwache ist auch ein Jahr später noch nicht abgeschlossen, weshalb die Demonstrierenden am Freitag in Athen "Wir wollen Gerechtigkeit!" skandierten. (Kim Son Hoang, 17.6.2024)