Billy Corgan von The Smashing Pumpkins – hier bei einem Konzert in den USA – gab sich beim Konzert in der Wiener Stadthalle erstaunlich gut gelaunt.
Amy Harris/Invision/AP

Beim Anblick des Schlagzeugs konnte einem angst und bange werden. 400 Trommeln und 60 Becken (grobe Schätzung aus der Ferne) ließen sämtliche Prog-Rock-Alarmglocken läuten. Doch von einigen Liedern abgesehen erwies sich die Angst als unbegründet. Und um einen U2-Song nach allen Regeln der Kunst zu zerlegen, braucht es halt ordentlich Gerät, und das tat die Band Smashing Pumkins, als sie Zoo Station zuerst aufblähte und ihm dann mit viel Aufwand die Luft wieder ausließ. Warum covert man ohne Not U2?

Noch während man dieser Frage nachhing, schob sich eine andere Wahrnehmung ins Bewusstsein: Der da oben ist ja gut gelaunt, da hat's doch was. Denn der da oben war Billy Corgan.

Angetan wie ein Ordensmann in einem langen schwarzen Mantel, aus dem oben ein Glatzkopf schaute, jenem des Komikers Bill Burr brüderlich ähnlich, wirkte er, als habe er tatsächlich Freude an seinem Tun. Den Eindruck vermittelt er nicht immer.

Schwieriger Typ

Corgan gilt als schwieriger Typ. Geplagt von psychischen Zuständen, die in seiner nicht optimal verlaufenen Kindheit wurzeln, fand der heute 57-Jährige Zuflucht in der Musik. 1988 gründete er in Chicago die Band Smashing Pumpkins. In der sich radikal ändernden Mainstream-Landschaft der frühen 1990er wurde die Band populär und unpopulär zugleich: Morbus Nickelback.

Alben wie Siamese Dream oder Mellon Collie and the Infinite Sadness verkauften sich millionenfach. Gleichzeitig lästerte eine Band wie Pavement über die "major kids" ab. Selten war eine Band so erfolgreich, angefeindet und offensichtlich unglücklich zugleich.

Arroganz und Selbstzweifel

Corgan galt als Tyrann, der seinen psychischen Ballast auf andere abwälzte. Und er bewegte sich musikalisch in Anfällen von Größenwahn in Gebiete, die die Kultur, der er sich zurechnete, eigentlich abgelehnt hat: ausufernden Hardrock und Prog-Rock. Das ergab am Ende ein gefälliges "Einmal von allem", ausgewalzt auf Doppelalben, gewürzt mit Grunge, Arroganz und Selbstzweifeln.

The Smashing Pumpkins - Today
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Im Jahr 2000 zog Corgan die Stecker, um 2006 die Wiederkehr der Kürbisse zu vermelden, die jedoch kaum nennenswerte Werke hervorgebracht hat und nicht an die Erfolge der 1990er anschließen konnte. Heute sind die Smashing Pumpkins ein sicherer Nostalgie-Act. Das Liveprogramm durchmaß weite Teile der Karriere, wiewohl das Frühwerk besondere Aufmerksamkeit erfuhr. Zu oft musste Corgan Saalflucht erleben, wenn er dem Publikum zu viele neue Songs zumutete.

"Servös, guten Abönd", grüßte er, nach dem Song Tonight, Tonight lächelte er gar. Später tauschte er sich mit Gitarrist James Iha über Wien aus: "They like art here." An die 8000 waren gekommen, um der ihren zu lauschen.

The Smashing Pumpkins - Spellbinding (Official Music Video)
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Die Pumpkins boten Selbstzerfleischungsstudien, wie sie ihr Werk immer wieder aufweist, andererseits hübsche Kleinode wie Today, das in seiner Laut-leise-Mischung mit melancholischer Breitseite seinerzeit klar erkennbar aus dem Scherbenhaufen eines Pixies-Songs zusammenmontiert worden war. Das neue Spellbinding besaß live eine The-Cure-Breitseite, die Pop und Gemütsschwere hübsch ausbalancierte.

Die Spiellaune war spürbar, das Publikum empfänglich. Gegen Mitte des Sets wurde es mit Titeln wie Disarm (an der Akustischen) und Springtime etwas lagerfeuerlich, dann zog das Sextett wieder an. Corgan tänzelte, gab den Entertainer und lieferte seine mattschwarzen Evergreens. Da konnten am Ende alle nur zufrieden sein. (Karl Fluch, 25.6.2024)