Burgendlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil von der SPÖ
Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) will über die landeseigene Gesundheitsholding eine Medizin-Uni hochziehen. Naheliegend wäre eine Anbindung an das neueröffnete Spital in Oberwart, ließ er durchblicken.
APA/HANS KLAUS TECHT

Für das Klischee vom wilden Studentenleben ist Oberwart wohl keine ideale Projektionsfläche. Die Stadtgemeinde an der Pinka im südlichen Burgenland zählt kaum 8000 Einwohner, ein Ruf als quirlige Metropole eilt ihr nicht unbedingt voraus. Und doch soll in Oberwart, geht es nach den Ankündigungen von Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ), in drei bis vier Jahren eine neue Medizin-Privatuniversität in Nachbarschaft zur modernen Klinik in Betrieb gehen.

Dass ein Politiker überhaupt die Gründung einer "privaten" Uni veranlassen kann, hat mit der irreführenden Terminologie im österreichischen Hochschulwesen zu tun. Für Privathochschulen gilt nämlich laut Gesetz nur, dass sie kein Geld aus dem Budget des Bundes erhalten dürfen – die Bundesländer können sich hingegen sehr wohl finanziell beteiligen. So kommt es, dass hinter vielen heimischen Privat-Unis keinerlei privates Kapital steht, sondern staatliche Mittel der Länder.

Schwierige Aufgabe

Das Burgenland etwa finanziert auch die neue Joseph-Haydn-Privathochschule, die allerdings schon in ihrer vorigen Form als musikalisches Konservatorium in öffentlicher Hand war. Die echte Neugründung einer Medizin-Uni ist weitaus aufwendiger, das weiß man auch bei der landeseigenen Gesundheit Burgenland (früher Krages), die als Trägerin der Uni vorgesehen ist. "Leicht wird es nicht, dessen sind wir uns bewusst", sagt deren Sprecher Leo Szemeliker zum STANDARD.

Bevor eine Privathochschule starten kann, braucht sie den Segen der Akkreditierungsbehörde AQ Austria. Bei dieser müssen Uni-Initiatoren umfassende Dokumente und Pläne vorlegen, die von Fachleuten begutachtet werden. Gerade bei medizinischen Studien hat die AQ Austria die Zügel bei der Qualitätssicherung zuletzt merklich angezogen und empfindliche Entscheidungen gewagt: Der längst etablierten Sigmund-Freud-Uni (SFU) in Wien hat die Behörde 2022 die Zulassung für das Medizin-Masterstudium entzogen – dessen Zukunft ist nach einem für die SFU positiven Gerichtsurteil aktuell noch immer offen.

Ähnlich erging es dem Medizin-Master an der Danube Private University (DPU) in Krems, der nach einem 2021 gefällten negativen AQ-Bescheid umgekrempelt wurde, um heuer am Standort Wiener Neustadt neu bewilligt zu werden.

Deal mit Uni aus Niederösterreich geplatzt

Die Umstellungen an der DPU und die plötzlichen Uni-Ambitionen Doskozils sind miteinander verstrickt, denn im Frühjahr ist der bisherige Stipendiendeal zwischen DPU und Burgenland geplatzt. Das Land hatte dort über mehrere Jahre Plätze für Medizinstudierende finanziert, die sich im Gegenzug verpflichteten, nach dem Abschluss im öffentlichen Gesundheitssystem des Burgenlands zu arbeiten.

Über die Motive für die Trennung hüllen sich beide Seiten in Schweigen, die Danube Private University ist neuerdings jedenfalls deutlich enger an die Landesspitäler ihres ÖVP-geführten Heimatbundeslands Niederösterreich gekoppelt. In der Vergangenheit hat es offenbar – das bestreitet die Uni-Leitung nicht – Probleme in der nunmehr ebenfalls beendeten Zusammenarbeit zwischen der DPU und den burgenländischen Kliniken gegeben. Die mangelhafte Kooperation dürfte auch zum zwischenzeitlichen Verlust der Akkreditierung des DPU-Studiums beigetragen haben.

Auf den Bund kein Verlass

Als Brückenlösung für die kommenden Jahre hat das Burgenland nun Stipendien anderer Art ausgelobt: Medizinstudierende bekommen – egal an welcher Uni sie inskribiert sind – während des Studiums monatlich tausend Euro ausgezahlt, sofern sie ihre weiterführende Ärzteausbildung im Burgenland machen und hernach auch fünf Jahre lang dort praktizieren.

Langfristig sieht Doskozil jedoch keine Alternative zu einer eigenen Hochschule, wie sein Büro erklärt: Der Bund schere sich nicht um den Ärztebedarf im Burgenland und kapituliere vor der Aufgabe, mehr Medizinabsolventen ins öffentliche Gesundheitswesen zu bringen, wo sie dringend gebraucht wären – etwa auf Kassenstellen im Burgenland. "Wenn es wirklich ernst wird, haben wir niemanden, auf den wir uns verlassen können", fügt Szemeliker hinzu.

Projekt steht am Anfang

Das Studium für Krankenpfleger, Hebammen und Co habe man mit der Fachhochschule in Eisenstadt schon in die eigene Obhut genommen – jetzt müsse man notgedrungen auch für ärztlichen Nachwuchs selber sorgen. Doch wie wollen die Verantwortlichen verhindern, dass Studierende der künftigen Med-Uni nach dem Abschluss erst recht in andere Regionen abwandern oder als Wahlärztinnen in den boomenden Privatsektor gehen? Zum einen hofft man im Burgenland auf die Macht weicher Faktoren: Wer bereits über Jahre zu vergleichsweise niedrigen Preisen im Land wohne, Freundschaften vor Ort pflege und während der Ausbildung Kontakte in die zunehmend profilierten Spitäler knüpfen könne, bleibe dem Land danach eher treu.

Zum anderen soll es auch handfestere Anreize geben, um angehende Ärztinnen und Ärzte an die burgenländische Gesundheitsversorgung zu binden. Denkbar wäre die zugesicherte Rückzahlung der Studiengebühren, die bei heimischen Medizin-Privatunis üblicherweise zigtausende Euros jährlich betragen – ein konkretes Anreizmodell fehlt derzeit allerdings. Generell sei das Projekt erst im Anfangsstadium, betont man in Doskozils Büro – selbst der Standort Oberwart sei nicht ganz fix. Auch zu den erwarteten Kosten könne man momentan keine Angaben liefern.

Auch Forschende gebraucht

Allerdings gibt es im Hochschulbereich nichts Teureres als eine Medizin-Uni. Der Rechnungshof hat bereits vor einigen Jahren berechnet, dass allein im laufenden Betrieb ein Medizinstudienplatz rund eine halbe Million Euro kostet – und das bezog sich auf große Unis mit entsprechenden Studierendenzahlen. Nach den Maßstäben der Akkreditierungsbehörde muss eine kleine Uni à la Burgenland aber ebenfalls ein breites Spektrum an Aufgaben erfüllen, um anerkannt zu werden.

Der springende Punkt dabei ist, dass eine Medizin-Uni nicht nur als Lehranstalt dienen soll, sondern auch herzeigbare Forschungsleistungen erbringen muss. Dafür braucht es wissenschaftlich aktives – teilweise auch habilitiertes – Personal, das einen beträchtlichen Teil der Arbeitszeit weder am Krankenbett noch im Hörsaal verbringen sollte. "Man kann eine Medizin-Universität nicht mit dem normalen Personal eines Landeskrankenhauses aus dem Boden stampfen, selbst wenn das Krankenhaus an sich hervorragend wäre", sagt dazu Wolfgang Fleischhacker, Rektor der Med-Uni Innsbruck.

Fleischhacker gibt überdies zu bedenken: "An einer medizinischen Hochschule muss es Expertinnen und Experten für die forschungsgeleitete Vermittlung aller vorklinischen Fächer geben – von der Anatomie, Biologie und Chemie über die Genetik bis zur Virologie. Das bedeutet einen riesigen zusätzlichen personellen und infrastrukturellen Aufwand – insbesondere wenn man es im Kontext eines eher kleinen Spitals wie Oberwart betrachtet."

Viele Med-Unis im Osten

Im Wissenschaftsministerium von Martin Polaschek (ÖVP) betont man, dass es unter Einhaltung der zuletzt verschärften rechtlichen Vorgaben jedem freistehe, eine Privat-Uni zu gründen. "Aus Systemperspektive" sei die Sinnhaftigkeit der angekündigten Hochschule aber zweifelhaft, heißt es zum STANDARD. Immerhin sei die institutionelle Dichte in Österreichs Osten jetzt schon hoch – in der Region existieren bereits zwei öffentliche Med-Unis (Wien und Graz) sowie drei private (DPU, SFU und Karl-Landsteiner-Uni). Für das verständliche Ziel der Rekrutierung junger Ärzte wäre die Fortsetzung von Stipendien in diesem geografischen Umfeld wohl das sinnvollere Instrument, argumentiert das Ministerium. Die Entscheidung obliege freilich dem Burgenland, das ja allenfalls auch die Kosten tragen müsse.

Doch lässt sich Doskozils Uni-Idee vielleicht als Hilfeschrei deuten, weil die Bundesregierung in ihrem Einflussbereich zu wenige Medizinstudierende an öffentlichen Unis ausbildet? Polascheks Ressort kann dieser Lesart nichts abgewinnen und führt ins Treffen, dass die Anfängerplätze seit Jahren schrittweise ausgebaut werden und bis ins Jahr 2028 noch von 1850 auf 2000 steigen werden. Man bleibe dabei: Insgesamt werde es an Österreichs öffentlichen Unis auf absehbare Zeit genügend Medizinabsolventen geben. (Theo Anders, 28.6.2024)