Blick auf Donau, Kahlenberg und Leopoldsberg bei Sonnenuntergang
Antibiotikaresistente Bakterien sind auch in Flüssen ein großes Problem. Neue Studien fassen dieses nun ins Auge.
IMAGO/Volker Preußer

Resistente Bakterien finden in Krankenhäusern oft ideale Bedingungen vor: viele abwehrgeschwächte Menschen auf engem Raum, die sie leicht infizieren und dabei Resistenzgene mit anderen Keimen austauschen können. Resistenzen breiten sich aber nicht nur in Krankenhäusern aus, sondern gelangen über die Klinikabwässer und Klärwerke auch in die umliegenden Flüsse.

Mehr als 35.000 Menschen sterben jedes Jahr in Europa an den Folgen einer Infektion mit antibiotikaresistenten Bakterien. Das entspricht etwa der Einwohnerzahl von Feldkirch in Vorarlberg. Diese alarmierende Zahl ist unter anderem auf den übermäßigen Antibiotika-Einsatz in Medizin und Landwirtschaft zurückzuführen, der eine Resistenzentwicklung begünstigt.

Resistente Bakterien im Wasser

"Man sieht in der Umwelt, hauptsächlich in Gewässern, dass klinisch relevante Resistenzen in den letzten Jahrzehnten stark zugenommen haben", sagt Alexander Kirschner, Leiter der Arbeitsgruppe Wassermikrobiologie an der Medizinischen Universität Wien (Med-Uni Wien) und Forscher an der Karl-Landsteiner-Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften Krems (KL Krems). "Diese Gewässer sind dann wieder Ressourcen, etwa für Trinkwasser, zum Baden und Schwimmen oder zum Bewässern von landwirtschaftlichen Flächen." Über diese Wege könnten resistente Bakterien dann allerdings erneut zurück in den Menschen gelangen und ihn krank machen, möglicherweise mit neu erworbenen Fähigkeiten, die sie im Krankenhaus noch nicht hatten.

Wie stark Gewässer von resistenten Bakterien betroffen sind, lässt sich an vielen Stellen aussagekräftiger aus Biofilmen ablesen als aus Gewässerproben. Zu diesem Schluss kamen Forscher um Kirschner und Andreas Farnleitner, Leiter des Interuniversitären Kooperationszentrums Wasser und Gesundheit (ICC) – einer Kooperation von TU Wien, Med-Uni Wien und KL Krems, die mit Mitteln des Wissenschaftsministeriums etabliert wurde. Gefördert wurde die Studie von der Gesellschaft für Forschungsförderung Niederösterreich.

Biofilme sind Schleimschichten auf festen Oberflächen, die Bakterien zum Schutz vor ungünstigen Umweltbedrohungen bilden. Im Krankenhaus schirmen sie sich damit auf medizinischen Geräten und im Körperinneren ab. In Gewässern schützen Biofilme sie auf Steinen und Pflanzen.

Fäkalkeim als Indikator

Die Wissenschafter verglichen Proben des Fäkalkeims Escherichia coli (E. coli) von Krankenhauspatienten mit E.-coli-Proben aus der Donau – in Flusswasser- und Fluss-Biofilmproben – auf Resistenzen. "E. coli ist ein sehr gut geeigneter Modellorganismus: Er ist als Haupterreger von Harnwegsinfekten weitverbreitet, besiedelt oft undichte Harnkatheter von Klinikpatientinnen und -patienten, dient in Gewässern als Indikator für Fäkalbelastungen und wird von der Weltgesundheitsorganisation als Anzeiger für Antibiotikaresistenz empfohlen", erklärt Farnleitner.

Die Resistenzraten in den Fluss-Biofilmproben waren deutlich höher als in den reinen Wasserproben. Zwei der Biofilmproben enthielten sogar sogenannte ESBL-Bakterien. Diese Keime sind gegen ein großes Spektrum von verschiedenen Beta-Lactamase-Antibiotika – wie etwa Penicilline, Cephalosporine und Monobactame – resistent. ESBL steht für Extended Spectrum Beta-Lactamasen, das sind Enzyme, mit denen die Bakterien Antibiotikamoleküle spalten und dadurch unschädlich machen können.

Verschiedene Antibiotikatabletten in Verpackung
Antibiotika haben für die Gesundheit der Bevölkerung enorme Fortschritte gebracht. Zunehmende Resistenzen schmälern diesen Nutzen.
APA/dpa/Monika Skolimowska

Darüber hinaus spürten die Forscher in den Fluss-Biofilmproben sogar ein multiresistentes E.-coli-Bakterium auf, das gegen das Reserveantibiotikum Tigecyclin resistent war und bei den Patientenproben nicht gefunden wurde. Die oft neueren Antibiotika heißen Reserveantibiotika, weil sie in Reserve gehalten und erst als letzte Wahl verabreicht werden: entweder damit gegen sie nicht so schnell Resistenzen entstehen, oder weil ihre gute Wirksamkeit mit stärkeren Nebenwirkungen gepaart ist, die man nach Möglichkeit vermeiden will. Bisher aber, so schreiben die Forscher im International Journal of Hygiene and Environmental Health, seien Resistenzen gegen Reserveantibiotika relativ selten in Österreich.

Abwassersituation bestimmt Belastung

In einer zweiten großen Studie, die vom Österreichischen Wissenschaftsfonds gefördert wurde, untersuchten Kirschner und Farnleitner gemeinsam mit Kooperationspartnern Wasserproben entlang den gesamten 2311 Kilometer der Donau, inklusive zahlreicher Zuflüsse. Eine solche internationale Untersuchung namens "Joint Danube Survey" führen die Anrainerstaaten alle sechs Jahre durch. In früheren Untersuchungen untersuchten die Forscher hauptsächlich die Fäkalbelastung des zweitgrößten europäischen Flusses, aus welchen Quellen diese stammt und welche Bedeutung sie für die Trink- und Badewasserqualität hat.

"Inzwischen beschäftigen wir uns auch verstärkt mit Antibiotikaresistenzen in der gesamten Donau", sagt der Mikrobiologe. Schließlich beinhalten Fäkaleinträge auch Bakterien. Bei der letzten Befahrung suchten die Wissenschafter deshalb an 36 Messstellen nach klinisch wichtigen Resistenzgenen, die gegen fünf Antibiotikaklassen Schutz bieten. An insgesamt zehn Messstationen in Serbien, Ungarn und Österreich wurde die Resistenzsituation auch zeitlich im Verlauf eines Jahres aufgezeichnet, mit sieben Probenentnahmen alle zwei Monate. Das Ergebnis: Je schlechter die Abwassersituation, desto mehr Hotspots – mehr Gene in höheren Konzentrationen – gab es.

Krezufahrtsschiff auf der Donau
Je weiter flussabwärts, desto belasteter zeigt sich die Donau in Studien.
Heribert Corn

"Die meisten Hotspots haben wir in den mittleren und unteren Donau-Anrainerstaaten gefunden. Serbien zum Beispiel ist ein Eldorado für Fäkalbakterien in der Donau, weil es keine Kläranlagen hat", sagt Kirschner. Hier sprudelte Abwasser teils direkt neben Restaurants und Discos in die Flüsse. Weitere Hotspots gab es in Bulgarien und Rumänien, wo Kanalisierung und Kläranlagenbau noch nicht alle Bereiche abdecken. Die höchsten Konzentrationen an Resistenzgenen fanden die Forscher in einem Donau-Zufluss in Budapest. Weil die Feststellung dieser enormen Konzentration ein zeitlich einmaliges Ereignis war, handelte es sich wahrscheinlich um eine illegale Einleitung, schreiben die Autoren im Fachjournal Water Research.

Diese großangelegte Vermessung von Resistenzgenen soll nun die Basislinie für künftige Trendbestimmungen sein und ermögliche gezielte Maßnahmen gegen die Resistenzverbreitung in Flüssen. (Veronika Szentpétery-Kessler, 1.7.2024)