Angst herrscht derzeit in der französischen Cognac-Industrie. Denn gerade bei neureichen Chinesen war es in den vergangenen 20 Jahre angesagt, den wirtschaftlichen Erfolg mit einer Flasche Rémy Martin oder Courvoisier zu begießen. In der Folge sprudelten die französischen Exporte nach China, und die Hersteller fuhren satte Gewinne ein. Das dürfte sich jetzt ändern. Die Schnapshersteller wissen: Sie stehen ganz oben auf der Abschussliste Pekings, das sich wohl für die EU-Schutzzölle rächen wird.

Autos des Branchenriesen BYD werden um 17 Prozent teurer, Geely trifft es mit 20 Prozent.
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Am vergangenen Mittwoch folgte die EU-Kommission nämlich dem Weg Washingtons und beschloss, ab 4. Juli dieses Jahres chinesische Elektrofahrzeuge mit Zöllen zu belegen. Auf sogenannte BEVs (Battery Electric Vehicles) sollen nun Zölle zwischen 17 und 38 Prozent aufgeschlagen werden, wenn sie von China in die EU eingeführt werden.

Autos des Branchenriesen BYD werden um 17 Prozent teurer, Geely trifft es mit 20 Prozent, und der staatliche Konzern (und Joint-Venture-Partner von Volkswagen) SAIC wird mit 38 Prozent abgestraft. Die Zölle fallen damit moderater aus als die amerikanischen Tarife von 100 Prozent.

Man habe keine andere Wahl gehabt, hieß es aus der europäischen Handelskommission, angesichts der steigenden Importe stark subventionierter Elektrofahrzeuge, die die heimische Industrie gefährden. Das ist nur bedingt richtig. Korrekt ist, dass China seit Jahren nicht nur, aber vor allem die heimische Elektroauto-Industrie mit mal versteckten, mal offensichtlichen Subventionen füttert.

Video: China erwägt Klage gegen EU-Autozölle bei der WTO.
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Milliarden an Subventionen

Dies beginnt bei der Kreditvergabe: Staatliche oder halbstaatliche Unternehmen kommen leichter, schneller und günstiger an Geld. Sie zahlen oft weniger für Energie und geringere Steuern. All das aber störte im Westen nicht so sehr, solange man den Markt für Verbrennungsmotoren dominierte. Die Wende aber kam mit der Elektromobilität.

Chinesische Batteriehersteller wie CATL dominieren jetzt die Wertschöpfungskette vom Abbau der Metalle in Afrika und Lateinamerika bis zur Fertigung in China. Der amerikanische Thinktank CSIS geht davon aus, dass zwischen 2009 und 2021 rund 125 Milliarden US-Dollar an Subventionen geflossen sind.

Der Absatz in der Volksrepublik stieg von knapp einer Million Fahrzeugen 2018 auf sechs Millionen 2023. Durch die staatlichen Förderungen der Industrie kam es außerdem zu einem Verdrängungswettbewerb, in dessen Folge immer mehr Elektrofahrzeuge auch für den Export produziert wurden.

In den USA und der EU sah man sich deswegen bald einer Flut chinesischer Importe ausgesetzt, während das einstige Herzstück der Industrie, die Verbrenner-Industrie, nicht mehr gewollt war. Die starken Subventionen Pekings wollte man deswegen mit Schutzzöllen kontern.

Sind Zölle zu niedrig?

Doch ausgerechnet in der europäischen Autoindustrie ist man wenig begeistert von dem neuen Protektionismus. Analysten gehen davon aus, dass die Zölle zu niedrig sind, um chinesische Importe wirklich unattraktiv zu machen. Das liegt zum einen daran, dass von den Zöllen auch in China gefertigte Autos von europäischen Herstellern wie Mercedes oder Renault betroffen sind. Zudem fürchtet man die Vergeltungsmaßnahmen Pekings. Und schließlich könnten die Zölle auch dazu führen, dass man noch mehr Marktanteile in Regionen verliert, in denen China ohnehin schon Nummer eins ist.

Die Volksrepublik exportierte im vergangenen Jahr Elektrofahrzeuge im Wert von 42 Milliarden US-Dollar. Rund ein Viertel davon ging in die EU. Das ist einerseits nicht wenig, zeigt aber auch, dass aus chinesischer Sicht Europa nur ein Markt unter vielen ist. In der Zwischenzeit sind Schwellenländer, besonders in Südostasien, zu den wichtigsten Exportmärkten Chinas geworden.

Schweden, Ungarn und Deutschland waren deswegen auch gegen die Maßnahmen der EU-Kommission, während Paris sie vorantrieb. In Peking gab man sich entrüstet. Man sei "sehr besorgt und hoch unzufrieden mit dieser schlecht informierten und illegitimen Entscheidung", hieß es aus dem Handelsministerium. Eine Vergeltung dürfte kommen – und sich vermutlich gegen die französische Luxus- und Lebensmittelindustrie richten. (Philipp Mattheis, 13.6.2024)