Das Potenzial von Kunst und Technologie an Universitäten soll unternehmerisch besser ausgeschöpft werden.
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Österreichs Spin-off-Quote schwächelt. Trotz europäischer Spitzenplätze bei Forschungsquote, Zitationsrankings und Patenten bleibt die Anzahl der akademischen Ausgründungen – ein Qualitätskriterium für den Wissenstransfer von universitärer Forschung in Richtung Gesellschaft – unter dem EU-Durchschnitt. Schon 2020 schrieb die Bundesregierung in ihrer Strategie für Forschung, Technologie und Innovation (FTI) fest, dass die Spin-off-Quote bis 2030 von 90 auf 180 akademische Ausgründungen im Jahr zu verdoppeln sei. "Bis jetzt hat sich da allerdings noch wenig getan", sagt Ausgründungsexperte Werner Wutscher, der für das Wissenschaftsministerium die Spin-off-Situation analysierte.

Das soll jetzt anders werden. Für die nächste Leistungsvereinbarungsperiode (2025–2027) hat das Ministerium auf Basis von Wutschers Untersuchungen einen neuen Richtlinienkatalog erarbeitet, nach dem Österreichs Universitäten standardisierte und transparente Ausgründungsroutinen entwickeln und implementieren sollen. Das Zehn-Punkte-Programm sieht unter anderem vor, dass alle Universitäten Entrepreneursausbildungen anbieten sollen. Alle notwendigen Informationen für Gründungswillige sollen mit einem Mausklick an allen österreichischen Universitäten abrufbar sein, etwa Musterverträge für Patent- und Markenrechte oder Prozentsätze für Lizenz- und Beteiligungsraten.

Explizit angesprochen werden sollen durch diese Standardisierung auch bisher bei akademischen Ausgründungen "unterrepräsentierte" Wissenschaftsbereiche – etwa Forscher und Forscherinnen aus dem Bereich Geisteswissenschaften: Sie könnten etwa mit Projekten in der explodierenden KI-Forschung punkten, meint Wutscher. Aber auch Kunstuniversitäten, die mit der Verknüpfung von Kunst, Kreativität und Technologie neue Ausgründungszentren starten könnten.

Großbritannien als Vorbild

Dass Spin-offs von Kunstuniversitäten funktionieren können, beweisen internationale Beispiele, sagt Wutscher. So betreibt die britische Kunst- und Designuniversität Royal College of Art (RCA) bereits seit 20 Jahren den eigenen Inkubator Innovation RCA. Aus ihm sind bereits mehr als 70 höchst unterschiedliche und erfolgreiche Spin-offs entstanden, darunter Unternehmen, die Designprogramme, Umwelttechnologien oder Digitalisierungsprojekte vermarkten oder die Millenniumsziele der Uno mit Hightech verknüpfen.

2019 hat das Ausgründungszentrum des RCA den begehrten UKBAA Angel Investment Award als "Incubator of the year" gewonnen. Nicht nur sprudeln die Lizenzeinnahmen der Universität – auch Investoren können sich bereits frühzeitig an neuen Projekten beteiligen, und das steuerbegünstigt: Denn das RCA legt im Rahmen staatlicher Seed-Programme und in Kooperation mit Fondsgesellschaften auch einen eigenen Risikokapitalfonds auf. Insgesamt hat der RCA-Inkubator bislang mehr als 150 Millionen Euro an Risikokapital angezogen, der durchschnittlich das Fünffache der Investitionen erwirtschaftet. Zudem betreibt das RCA mehr als ein halbes Dutzend Forschungszentren, die Kunst- und Designforschung mit Fragen des demografischen Wandels, Klima, Mobilität, Ernährung oder Robotik verknüpfen.

Immersive Ausstellungen wie hier in Dubai vermischen analoge Kunstwerke mit Digitalem.
REUTERS/Abdel Hadi Ramahi

Ob aber eine Standardisierung der Ausgründungsprozeduren allein schon reicht, um etwa Österreichs Kunstuniversitäten zu ähnlichen Spin-off-Höhenflügen zu motivieren, wird von Experten eher angezweifelt: "Da braucht es mehr als neue Richtlinien für Gründungszentren", sagt Georg Russegger. Der Innovationsexperte war langjähriger Verantwortlicher für den Wissenstransfer an der Akademie der bildenden Künste Wien und Projektleiter der österreichischen Initiative zum Technologie- und Wissenstransfer des Wissenschaftsministeriums.

Kritik an einseitigem Fokus

Seit Mai 2024 ist Russegger Direktor des Open Innovation in Science Center der Ludwig-Boltzmann-Gesellschaft. Sein Kritikpunkt: Die Innovationsförderung sei in Österreich bislang zu sehr enggeführt auf die Förderung von Innovation im naturwissenschaftlich-technischen Bereich. Und genau deshalb schwächle auch die allgemeine Spin-off-Quote. "Kunstwissenschaftlichen Zugänge, die etwa Design und Technologie verknüpfen, werden in der Spin-off-Förderstruktur viel zu wenig berücksichtigt", sagt Russegger. Damit aber liege viel innovatives Potenzial brach. "An Kunstuniversitäten gab und gibt es immer wieder Menschen, die Unternehmen gründen", sagt Russegger. "Aber so gut wie keines war wegen kunstaverser Förderkriterien als Spin-off anerkannt."

Um das zu ändern, müsste man daher die nationalen Kriterien für die Spin-off-Förderung neu gestalten. International werde dieses Problem schon lange diskutiert, in der sogenannten "Stem to Steam"-Debatte. Dabei geht es darum, zu zeigen, dass die Innovationsbereiche "Science, Technology, Engineering, Mathematics", kurz Stem, erfolgreich durch "Arts" also Kunst und Geisteswissenschaften, zu "Steam" ergänzt werden können. Russegger: "Es müssen auch kunstwissenschaftliche Zugänge förderbar werden. Auch das sollte in der Standardisierung berücksichtigt werden."

Ob es nun auch in Österreich solche strukturellen Veränderungen in Richtung kunstaffiner Spin-off-Förderung nach britischem Vorbild geben könnte, werde sich in den nächsten Monaten weisen, meint Russegger. Denn dann starten die abschließenden Verhandlungen für die Verteilung des Rekordbudgets von 16 Milliarden Euro für die nächste Leistungsvereinbarungsperiode der Universitäten von 2025 bis 2027. Zusätzliches Geld für die Implementierung neuer Spin-off-Standards allein wird es aber nicht geben. Das sei, so heißt es aus dem BMBWF, im Rekordbudget schon implementiert. Ob österreichische Kunstuniversitäten so wie das britische RCA bald mit eigenen Inkubatoren durchstarten werden, bleibt daher ungewiss. Russegger: "Bisher gab es aus der Politik immer nur Lippenbekenntnisse." (Norbert Regitnig-Tillian, 04.07.2024)